Neustadt „Wir mussten Gas geben“

Beim Forster Winzerverein waren die Trauben Anfang Oktober im Keller. Stefan Vogt, stellvertretender Kellermeister, spricht von einem Jahrgang mit gewissen Herausforderungen. Die Kirschessigfliege habe vor allem bei den Rotweinsorten Probleme bereitet. „Wir haben bei der Lese darauf geachtet, nur gesunde Trauben mitzunehmen“, so Vogt. Wegen des verregneten Augusts hätte der Winzerverein flexibel sein und den Leseplan anpassen müssen. Trauben für spezielle Weine oder Eiswein habe man nicht hängen gelassen: „Wir haben alles geholt, einerseits wegen der Kirschessigfliege, andererseits ist der Jahrgang dafür nicht geeignet“, so Vogt. Beim Weingut Braun in Meckenheim hat man dem ungeliebten Schädling vorgebeugt: „Wir haben die Traubenzone an den Reben im Vorfeld entblättert und hatten das so im Griff“, erzählt Kellermeister Michael Braun. Die Kirschessigfliege hält sich nämlich lieber im Schatten als in der prallen Sonne auf. Braun spricht von einem „geballten Zeitraum“ in den vergangenen Jahren, in dem die Weinlese abgeschlossen sein muss: „Innerhalb von zwei bis drei Wochen muss alles geerntet sein, sonst tritt Fäulnis auf.“ Die Trauben vom Weingut Winterling in Niederkirchen waren ebenfalls früh im Keller. Wegen des schönen Herbsts habe man in 21 Lesetagen alles abernten können, so Martin Winterling, Chef des Ökobetriebs, der überwiegend Trauben für die Sektherstellung anbaut. Er war überrascht, wie gesund die Trauben trotz des vielen Regens waren. Die Kirschessigfliege habe beim Spätburgunder wenig Schaden angerichtet, die Traubenschale sei noch hart genug gewesen. Beim Schwarzriesling habe es vereinzelt Schäden gegeben. Mit rund 7500 Liter pro Hektar ist der Ertrag unter dem der letzten Jahre geblieben. Den Jahrgang bezeichnet Winterling jedoch als „richtig gut: Säure und Mostgewicht stehen in einem tollen Verhältnis. Es wird ein sehr harmonischer Jahrgang.“ Für Josef Köhr, Inhaber des Weinguts Josef Köhr in Ruppertsberg, habe die Lese „hektisch begonnen“. 14 Tage früher sei man dieses Jahr gewesen. „Sobald das Mostgewicht erreicht war, war es uns wichtig, eher gesund zu ernten, als einen höheren Oechsle-Wert zu erreichen“, erklärt der Winzer. Zusätzliche Probleme bereiteten Köhr Starenschwärme. „Wir haben gehört, dass die Vögel in einem Ortsteil Schäden im Weinberg angerichtet haben und waren dadurch sensibilisiert. Wegen Frostschäden im Frühjahr und Hitzeschäden, sowie der Kirschessigfliege ist auch er unter der letztjährigen Erntemenge geblieben. Bei der Qualität sieht Köhr die Weißweine vorne. Der Cabernet hätte eigentlich noch eine Woche hängen bleiben müssen, aber das sei wegen der Fliege und des Wetters nicht möglich gewesen, sagt der Winzer. Gerald Niederberger, Geschäftsführer des Winzerverein Deidesheim, klagt beim Dornfelder wegen der Kirschessigfliege über einen Ausfall von 50 Prozent: „Ich war mit Winzern zwei Tage vor dem Lesetermin im Weinberg, der top dagestanden hat. Am Lesetermin waren dann zahlreiche Trauben befallen.“ Er spricht von einem punktuellen Ausfall, der so nicht absehbar gewesen sei. Am 9. September haben die Mitglieder des Winzervereins mit der Lese begonnen. „Früher wäre es nicht möglich gewesen, weil die Mostgewichte noch nicht erreicht waren“, so Niederberger. Man habe einen „Turboherbst“ hingelegt, um der Fäulnis keine Gelegenheit mehr zu geben, sich weiter auszubreiten. Abgesehen vom „kritischen Rotwein-Jahrgang“ schwärmt der Geschäftsführer von der „sehr guten“ Weißwein-Qualität. „Beim Weißburgunder haben wir gepokert und die Spätlese erst am 2. Oktober reingeholt“, so Niederberger. Die Hauptlese bei der Winzergenossenschaft Weinbiet ist ebenfalls seit Anfang Oktober abgeschlossen. Nachzügler wie der Cabernet Sauvignon wurden laut Geschäftsführer Bastian Klohr erst zum 14. Oktober in den Keller geholt. Mit der Lese ist Klohr sehr zufrieden. Die Weine seien elegant, fruchtig und facettenreich. Die Lese der Winzergenossenschaft Weinbiet, deren Winzer insgesamt 320 Hektar Rebfläche bewirtschaften, bezeichnet Klohr wegen des Fliegenschädlings und der feucht-warmen Witterung als spannend. „Wir mussten Gas geben und haben innerhalb von vier Wochen alles abgeerntet. Normalerweise können wir uns sechs Wochen Zeit lassen.“ Durch die frühzeitige Ernte habe es keine Probleme mit der Kirschessigfliege gegeben. Vier Millionen Kilogramm Trauben hat die Winzergenossenschaft Weinbiet gelesen. Das seien zehn bis 15 Prozent unter einer optimalen Ernte, so Klohr. Durch das warme Frühjahr habe es Austriebe und Blüten so früh wie nie zuvor gegeben. Am 18. August habe man bereits Federweißen mit 100 Oechsle-Grad gelesen, laut Klohr ein „fantastischer Wert“. Michael Kiefer, vom Weingut Aloisiushof in St. Martin hat mit der Lese des Dornfelder und Portugieser wegen des gefürchteten Schädlings ebenfalls früher angefangen. Die Weißweine seien laut Kiefer sehr schön. Schäden durch die Kirschessigfliege hielten sich bei ihm in Grenzen, weil er die Traubenzone im Vorfeld ebenfalls entblättert hat. Einen Ausfall von zehn bis 20 Prozent muss der Weinmacher aber trotzdem verkraften. Schuld ist ein Unwetter Anfang August, bei dem Hagel Teile seiner Ernte zerstört hatte. (nhe)

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