Neustadt Warum es am Hetzelstift den Schwerpunkt Endometriose gibt

Heftige Regelschmerzen sind ein Hinweis auf Endometriose.
Heftige Regelschmerzen sind ein Hinweis auf Endometriose.

Am Hetzelstift verstärkt Gynäkologie-Chefarzt Gerald Staudenmaier seine Arbeit rund um die Endometriose-Erkrankung. Warum er dabei auf die Unterstützung einer Bloggerin zählen kann und politische Vorstöße zurückhaltend bewertet.

Gerald Staudenmaier will eine Erkrankung in den Fokus rücken, die zwar häufig auftrete, die aber wenig bekannt sei und über die kaum gesprochen werde. Der Gynäkologie-Chefarzt am Neustadter Krankenhaus Hetzelstift spricht über Endometriose. Etwa jede zehnte Frau sei von diesen starken Beschwerden und Schmerzen betroffen. Dass das Krankheitsbild bisher aber trotzdem so wenig bekannt sei, liege zum einen daran, dass es im Gegensatz zu Krebs immer gutartig sei. Mit Forschung zu Krebs sei eben an Unikliniken mehr Reputation zu erzielen, meint Staudenmaier und kritisiert auch die eigene Zunft. Zum anderen sei Endometriose das „Chamäleon der Gynäkologie“, da die Symptome ganz unterschiedlich seien und sich oft nicht präzise zuordnen ließen.

Gerald Staudenmaier
Gerald Staudenmaier

Da es dabei zudem um Probleme/Schmerzen bei der Menstruation und beim Eisprung, dem Geschlechtsverkehr sowie generell Beckenbeschwerden gehe, die nicht direkt greifbar seien und über die die Betroffenen nicht gerne offen sprechen, hapere es oft an Diagnose und somit Therapie.

Bauchspiegelung hilft

Staudenmaier warnt junge Frauen aber eindringlich davor, solche Schmerzen einfach als gegeben hinzunehmen. Denn die Folge der Ablagerung von Gebärmutter-Schleimhaut könnten sehr wohl gravierend sein – bis zum unerfüllten Kinderwunsch. Daher ruft der Gynäkologe zunächst einmal seine Kollegen dazu auf, Frauen, die über regelmäßige Schmerzen klagen, ernst zu nehmen und nach den Ursachen zu suchen. „Die Diagnose geht eigentlich schnell – entweder mit Hilfe einer Bauchspiegelung oder eines Ultraschalls“, so Staudenmaier. Zugleich appelliert er an Betroffene, zu der Erkrankung und ihren Auswirkungen zu stehen, „denn dafür kann ja niemand etwas“. Daher sei es wichtig, Beschwerden und Symptome zu beschreiben, damit die Medizin richtig ansetzen könne.

In der Endometriose-Klinik am Hetzelstift will Staudenmaier dafür sorgen, dass verschiedene Disziplinen involviert werden, um sich gut um die Frauen kümmern zu können. Ein Aspekt dabei: das Vernetzen und Austauschen. Dazu zählen monatliche Online-Infoveranstaltungen. Dass dort bis zu 70 Frauen teilnehmen und das Einzugsgebiet von Koblenz bis Karlsruhe reiche, zeige, „wie groß der Bedarf ist“. Umso wichtiger sei es daher, so der Chefarzt, wenn sich Betroffene trauen, über die Erkrankung zu reden und anderen damit zeigten, „dass sie nicht alleine sind“. Ein solches „Vorbild“ sei am Mittwoch Gesprächspartnerin beim nächsten Online-Chat: Rieke Viertel, Fotografin und Bloggerin aus Landau.

Rieke Viertel
Rieke Viertel

Diagnose dauert Jahre

Ganz eindringlich schildert sie ihren Leidensweg und wie es war, „wenn alle paar Wochen alle in der Frauenarztpraxis die Augen gerollt haben, weil ich wieder kam und über Schmerzen klagte“. Es habe Jahre gedauert – und einen viel schlimmeren Schmerzzustand, ehe die Ursache doch hinterfragt worden sei und ihr geholfen wurde. Die Erfahrungen hätten ihr Vertrauen in Ärzte gewaltig erschüttert, betont Viertel. Und sie verstehe diese Haltung auch nicht, „denn hinter den Schmerzen hätten ja auch ganz andere Krankheitsbilder stecken können, um die man sich ja auch kümmern muss“. Daher sei es wichtig, Frauen Mut zu machen. „Damit sie mutig auftreten und darauf pochen, dass man sich um ihr Leiden kümmert und es nicht als ,das muss man halt mal aushalten’ abtut“, sagt Viertel. Dieser Fortschritt, sei aber nur möglich, wenn Endometriose als Krankheit bei Ärzten und Bürgern viel bekannter und akzeptierter sei.

Begrüßen beide dann nicht die politischen Vorstöße in Frankreich, wo Präsident Macron eine groß Aufklärungskampagne zum Krankheitsbild und Therapien plant, sowie in Spanien, wo Frauen mit Regelschmerzen bis zu fünf Tage pro Monat frei bekommen sollen? Staudenmaier zögert bei der Bewertung. Einerseits sei das öffentliche Bewusstsein wichtig. Andererseits warnt er davor, dass Frauen im Vergleich zu Männern wieder systematisch benachteiligt werden, weil Arbeitgeber automatisch denken: Oh, da fehlt ja jemand jeden Monat. Daher hält er es für wichtiger, die Erkrankung im medizinischen Alltag durch gute Diagnosen zu erkennen und Frauen dann direkt zu helfen.

Info

Den Zugangslink zum Endometriose-Chat am Mittwoch ab 17.30 Uhr finden Interessierte unter www.hetztelstift.de. Dort gibt es auch Informationen zur Endometriose-Klinik des Hetzelstifts.

Zur Sache: Endometriose

Nach Angaben des Hetzelstifts leiden viele Frauen unerkannt unter der Krankheit Endometriose. Zu den häufigsten Symptomen zählen der Klinik zufolge Unterbauchschmerzen, Krämpfe sowie Schmerzen auch beim Wasserlassen und Geschlechtsverkehr. Laut Hetzelstift-Angaben wird bei dieser Erkrankung Gebärmutter-Schleimhaut während der Menstruation nicht komplett abtransportiert und kann im Bauchraum zu Entzündungen führen. Auch ein unerfüllter Kinderwunsch könne ein Anzeichen für die Erkrankung sein. Gynäkologie-Chefarzt Gerald Staudenmaier sieht einen sehr großen Bedarf, die Erkrankung bei Frauen zu erkennen und zu behandeln. Daher gibt es im Hetzelstift seit einem guten halben Jahr eine Endometrioseklinik. Mehrere Disziplinen arbeiten dabei zusammen, um umfassend über das Krankheitsbild und Behandlungsmöglichkeiten aufzuklären. Außerdem wurde eine Selbsthilfegruppe gegründet.

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