Neustadt Von Mars bis Marx

Die polnische Folk-Band „Dikanda“ kommt am 18. August zum Open-Air-Konzert in den Park der Villa Böhm. In Neustadt ist die Forma
Die polnische Folk-Band »Dikanda« kommt am 18. August zum Open-Air-Konzert in den Park der Villa Böhm. In Neustadt ist die Formation schon von zahlreichen schweißtreibenden Auftritten her bekannt.

«Neustadt». Der Neustadter Kulturverein „Wespennest“ setzt sein Livemusikprogramm in der zweiten Jahreshälfte genau da fort, wo er vor der Sommerpause aufgehört hat – mit zwei außergewöhnlichen Konzerten von internationalen Gesangsensembles in der Reihe „Stimmen der Welt“. Weitere Saisonhöhepunkte sind unter anderem Annette Postel im Oktober im Saalbau und Ben Waters und „Space Oddity“ im November und Dezember in der TV-Halle in Gimmeldingen.

Den Anfang machen aber die „Stimmen der Welt“ und die polnische Gruppe „Dikanda“, die von den „Wespen“ als „die wilden Stimmen aus Europas Osten“ angekündigt wird. Das 1997 gegründete Septett war schon sechsmal auf Einladung des Vereins in Neustadt zu Gast und steht für zigeunerjazzig angehauchtem Balkan-Folk mit jiddischen Einflüssen und volksmusikalischen Elementen aus seiner Heimat und deren Nachbarstaaten. Von Polen aus reist die Combo, die bisher sieben Alben vorwiegend mit Eigenkompositionen veröffentlichte, für ihr einziges Deutschlandkonzert extra über Schweden und die Slowakei nach Neustadt an. Der diesmalige Auftritt findet im Park der Villa Böhm statt, der zu diesem Zeitpunkt allerdings wegen Bauarbeiten nur über den Eingang in der Villenstraße zu erreichen ist. Bei Regen wird die Veranstaltung in die Stiftskirche verlegt. Auch „Sedaa“, die zweite „Stimmen der Welt“-Gruppe im August, sind „Wespennest“-Stammgästen keine Unbekannten. Das mongolisch-iranische Quartett hat genau wie „Dikanda“ in Neustadt schon mehrfach sein Können unter Beweis gestellt, und überzeugt nicht nur mit in Deutschland selten zu hörendem Ober- und Untertongesang, sondern auch mit überdurchschnittlichen Fähigkeiten auf Instrumenten wie der Pferdekopfgeige oder dem mit 120 Saiten bespannten Hackbrett. Wer sich nicht vorstellen kann, wie es sich anhört, wenn Lieder der mongolischen Nomaden in Verbindung mit exotisch-orientalischen Klängen gebracht werden, wird nach diesem Spektakel in der Stiftskirche sicher positiv überrascht sein. Das „Normalprogramm“ des Kulturvereins leitet der Musiker und Folkrockfan Ede Eber-Huber dann im September mit einer Vorstellung seiner Gruppe „Haardt of Gold“ im Veranstaltungsraum „Wespennest“ über dem Wirtshaus „Konfetti“ ein. Zusammen mit Ute Wehner-Lindner und Heri Wehner präsentiert er Songs von den „Eagles“, Neil Young, „America“, „Crosby, Stills, Nash & Young“ und Bob Dylan. Mit seiner „Uffbasse“-Palzbänd ist er am 6. Dezember noch ein zweites Mal für die „Wespen“ aktiv. Zu Gehör bringt er dann beim kultigen Nikolausabend bekannte Rocksongs mit Pfälzer Texten. Ebenfalls im „Konfetti“ gibt es am ersten November-Samstag das Aufeinandertreffen dreier Bluesgrößen, die diese Bezeichnung wirklich verdienen: von Sänger und Gitarrist Abi Wallenstein, „Vater der Hamburger Blues-Szene“, Pianist Dan Popek, der bereits als Teenager mit Leuten wie Axel Zwingenberger, Barbara Dennerlein oder Vince Webber gearbeitet hat, und Harpspieler Gernot „Junior“ Scherer, der für das „Wespennest“ schon mehrfach seine Mundharmonika als Sideman unter anderem von Larry „Doc“ Watkins oder „Poor Black Mary“ auspackte. Mitreißender Blues und Boogie-Woogie, frei improvisiert und mit großer Leidenschaft vorgetragen, stehen bei dieser Session zu erwarten. Betont bluesig wird es auch, wenn „Greyhound´s Washboard Band“ ihre Songs auf der Bühne des „Wespennests“ darbietet. Die Namen der Gruppenmitglieder, Jürgen Schildmann, Andy Grünert und Wolfgang Voss, sind vielleicht nicht jedem geläufig, zusammen als „GWB“ darf das Trio aber ohne Übertreibung zu den besten Blueskapellen weltweit gezählt werden. Das hat die Band seit Januar sogar schriftlich, als sie bei der „International Blues Challenge 2018“ als einer von acht Finalisten – bei 110 Teilnehmern – im „Orpheum Theatre“ in Memphis/USA auf der Bühne stand. Zum Sieg reichte es zwar nicht ganz, aber bei dem hochkarätigen Wettbewerb soweit nach vorne zu kommen, haben vorher nur sehr wenige europäische Gruppen geschafft. Als ein herausragendes Ereignis im zweiten Halbjahresprogramm des Neustadter Kulturvereins wird sich aller Voraussicht nach die bunte Crossover-Show von Annette Postel und dem „Salonorchester Schwanen“ erweisen. Die im klassischen Gesang ausgebildete Künstlerin, die auch immer wieder mal an renommierten Häusern als ernsthafte Opernsängerin in Erscheinung trat, will sich nicht in ein musikalisches Korsett zwängen lassen und präsentiert deshalb auch gerne und immer öfter mal die kabarettistisch-humoristische Seite dieses Genres. Georg Kreisler empfahl ihr es zu tun, Konstantin Wecker empfand es als „einfach hinreißend“, und Udo Jürgens überließ ihr dafür sogar die Bühne. Nachdem sich die Edenkobenerin mit verschiedenen Programmen – darunter auch das überaus erfolgreiche „Sing oper stirb “ oder das jazz-lastigere „Ausziehn“ – ein Publikum herangezogen hat, präsentiert sie nun gemeinsam mit dem zehnköpfigen „Salonorchester Schwanen“ im Saalbau ihr aktuelles Projekt „Inteam“, bei dem sie bekannte Weisen wie „Funiculi Funicula“, Klassiker der Marke „O Donna Clara“ oder den „Rolling Stones“-Rocksong „Satisfaction“ in typischer Postel-Manier vorstellt. Ansonsten prägen einige gute alte Bekannte das Wespennest-Programm: So kommt nach drei Jahren Abwesenheit die argentinische Sängerin und Gitarristin Marili Machado wieder einmal mit Tanz- und Ethnomusik und dem Gitarristen Samy Mielgo als Begleiter ins „Wespennest“. Keltisches Repertoire steht dagegen bei dem deutsch-englisch-irischen Trio „Iontach“ auf dem Spielplan, das besonders durch seinen ausgefeilten Satzgesang auffällig ist. Und auch der Bandname „Kapelsky & Tamara“ dürfte aufmerksame „Konfetti“-Besucher hellhörig machen, zugleich aber auch etwas verunsichern, denn das Quartett hieß früher „Kapelsky & Marina“. Für die Sängerin Marina Frenk, die mittlerweile aus der Gruppe ausgestiegen ist, übernahm die Ukrainerin Tamara Lukasheva die Rolle der Frontfrau. An der musikalischen Ausrichtung änderte sich dadurch aber nichts. Noch immer werden ohne Rücksicht auf Verluste internationale Popsongs mit russischen Texten versehen und westliche Jazzstandards mit orientalischen Einflüssen vermengt. Jemand, den man in Neustadt kaum mehr vorstellen muss, ist der englische Boogie-Woogie-Pianist und Publikumsliebling Ben Waters, der im November solo das erste der beiden Gimmeldinger Wespennest-Konzerte bestreitet. Das zweite angesprochene Musikereignis in Gimmeldingen führt den Gitarristen der Herbert- Grönemeyer-Band, Jakob Hansonis, und seine Freunde in die Pfalz. Unter der Firmierung „Space Oddity“ sind sie – wenn immer es ihre Zeit erlaubt – als Tributeband von David Bowie unterwegs. Von „Life On Mars“ über „Starman“, „Jean Genie“ und „China Girl“ bis hin zu „Let’s Dance“ oder „This Is Not America“ kriegt bei „Space Oddity“ jeder Bowie-Anhänger satt auf die Ohren. Wer allerdings darauf hofft, dass Sänger Hupperten sich dazu auch in schrillen Bowie-Outfits inszeniert, wird enttäuscht: Für „Space Oddity“ zählt nämlich ausschließlich die Musik ihres Idols, alles andere nachahmen zu wollen, erschiene ihnen zu Recht lächerlich. Eine Woche zuvor werfen noch „Die Grenzgänger“, eine 1989 in Bremen gegründete Folkband, einen Blick auf „Die wilden Lieder des jungen Marx“. Karl Marx hat im Laufe seines Lebens viele Gedichte und Liedtexte verfasst. Manche von ihnen sind von revolutionärem Gedankengut geprägt, andere wiederum spiegeln die seelische Zerbrechlichkeit des Mannes wider, dessen Geburtstag sich 2018 zum 200. Mal jährt. Die vier „Grenzgänger“ Frederic Drobnjak, Felix Kroll, Annette Rettich und Michael Zachkial haben sich der Texte des jungen Marx angenommen, die er schrieb, als er noch nicht einmal 20 Jahre alt war, und daraus Material für ihre aktuelle, neunte CD gemacht. Das alles plus viele Informationen über das Leben des umstrittenen Philosophen stellen sie Ende des Jahres im „Wespennest“ vor. Noch Fragen? Der Vorverkauf für die „Konfetti“- und „Wespennest“-Veranstaltungen startet erst am 9. September über das „Wespennest“-Büro (06321/35007). Für alle anderen Events ist er bereits freigegeben. Vorverkaufsstellen sind hier unter anderem die Buchhandlung Quodlibet, Tabak Weiss und alle RHEINPFALZ-Geschäftsstellen sowie www.reservix.de.

x