Neustadt „Talent ist viel, aber nicht alles“

Neustadt/Hoffenheim. Er gilt als eines der größten Fußball-Talente Deutschlands auf der Position des Innenverteidigers. Mit erst 19 Jahren durchlief der gebürtige Neustadter Kevin Akpoguma fast alle Jugendnationalteams und steht seit Juli 2013 beim Bundesligisten TSG Hoffenheim unter Vertrag. Als Sohn eines nigerianischen Vaters und einer deutschen Mutter ist er zwar in der Pfalz geboren, seine fußballerische Heimat fand er hier jedoch nie. Maximilian Bialeck sprach mit dem Defensivspezialisten.

Kevin, in den Medien wurde während der vergangenen Wochen viel über einen möglichen Wechsel zu anderen Bundesligisten spekuliert. Was ist dran an den Gerüchten?

Damit beschäftige ich mich kaum. Zwar liegt die Entscheidung letzten Endes bei mir, das müssen die Vereinsoffiziellen aber unter sich klären. Solange ich einen Vertrag habe, werde ich bleiben, um Fußball zu spielen. Du bist zwar in Neustadt geboren, die ersten Jahre Deines Lebens bist Du allerdings zusammen mit Deiner Familie sehr viel umgezogen. Wie kam es dazu? Meine Oma ist damals mit meiner Mutter aus der DDR geflohen und hat in Neustadt ein neues Zuhause gefunden. Bald nach meiner Geburt sind wir nach Harthausen und später weiter nach Speyer gezogen. Mittlerweile lebt meine Familie in Wörth. Hast Du noch Kontakte in Deine Geburtsstadt? Leider nicht, die Familie meiner Mutter ist sehr klein. Auch der Großteil meiner Freunde lebt in Karlsruhe oder Wörth. Du bist schon recht früh in die Nachwuchsförderung des Karlsruher SC aufgenommen worden. Gab es auch andere Vereine aus der Region, die sich um Dich bemüht hatten? Im Anschluss an unseren Umzug nach Wörth wurde der Karlsruher SC ziemlich schnell auf mich aufmerksam. Ich war damals erst zwölf. Mit anderen größeren Vereinen wie Kaiserslautern oder Mainz gab es keinerlei Kontakt. Da wusste ich direkt, wie ich mich entscheide. Mit 18 Jahren hast Du Dich für den Wechsel nach Hoffenheim entschlossen ... Schon während der U17 hat sich Hoffenheim um mich bemüht. Alexander Rosen, mit dem ich schon länger in Kontakt stand, hatte gerade den Posten des Sportdirektors für die Profi-Abteilung übernommen. Außerdem wollte ich damals unbedingt zu einem Bundesligisten. Du spielst jetzt Deine zweite Saison im Kraichgau. Wurden Deine Erwartungen bisher erfüllt? Zu Beginn hatte ich eigentlich keine Erwartungen. Ich kam damals aus der Dritten Liga und habe mir nicht direkt zum Ziel gesetzt, Stammspieler zu werden oder Bundesliga zu spielen. Mit meiner Entwicklung bin ich insgesamt zufrieden. Du bist der jüngste Torschütze aller Zeiten in der Dritten Bundesliga. Ist Dir das bewusst? Ja, das weiß ich. Aber mir bedeutet es gar nicht so viel. Damals waren die drei Punkte wichtig, um dem Aufstieg mit Karlsruhe ein Stück näher zu kommen. Für mich ist es mehr oder weniger ein ganz normales Tor. Dieses Jahr im Juli folgte der Höhepunkt Deiner noch jungen Karriere. In Ungarn wurdest Du mit der deutschen U19-Nationalmannschaft Europameister ... Das war ein einmaliges Erlebnis. Ich durfte bei jedem Spiel von Anfang an ran und wurde nur einmal ausgewechselt. Ich bin sehr froh, dass ich mit der Mannschaft den Pokal holen konnte. Als wir Österreich im Halbfinale mit 4:0 geschlagen hatten, war ich mir sicher, dass wir das Turnier gewinnen werden. Auf welcher Position siehst Du Deine größten Stärken? Am wohlsten fühle ich mich im defensiven Zentrum. Durch meine Schnelligkeit kann ich immer mal wieder Bälle und Gegner sauber ablaufen, das kommt mir auf jeden Fall sehr zu Gute. Außerdem bin ich mehr der Typ Spieler, der sich für den Spielaufbau verantwortlich zeigt. Als reinen Abräumer sehe ich mich nicht. Viele talentierte Spieler werden von Verletzungen ausgebremst. Machst Du Dir darüber Gedanken? Natürlich bekommt man es immer mal wieder mit, wenn sich Teamkollegen schlimmer verletzen. Ich selbst versuche das allerdings größtenteils auszublenden. Wie wichtig ist für Dich die richtige Einstellung zum Profisport? Sehr wichtig. Talent ist viel, aber nicht alles. Man muss sicherlich verzichten, kann zum Beispiel nicht ständig mit seinen Kumpels feiern gehen. Man muss auf seinen Körper achten, sich gesund ernähren und 100 Prozent fit sein. Wenn die Fitness stimmt, kommt der Rest von ganz alleine. Ehemalige Mannschaftskameraden avancieren bei ihren Bundesligavereinen zu Stammspielern. Sind Spieler wie Hakan Calhanoglu (Bayer Leverkusen) oder Niklas Süle (TSG Hoffenheim) Vorbilder für Dich? Hauptsächlich möchte ich auf mich schauen. Mir ist es wichtig, meinen eigenen Weg zu gehen. Vorbildcharakter haben sie für mich eher nicht. Wer ist denn dann Dein Vorbild? Ganz klar Jerome Boateng. Er spielt auch in der Innenverteidigung, ist groß, schnell und bisher sehr weit gekommen. Leider habe ich ihn bisher noch nicht persönlich getroffen. Nachdem Du die gesamte vergangene Saison bei den Profis trainieren konntest, bist Du in dieser Runde wieder bei der U23 dabei. Wie sieht Dein Kontakt zu Profitrainer Markus Gisdol aus? Seine Co-Trainer sind oft zum Zuschauen bei unseren Spielen. Ab und zu wird auch mal ein U23-Spieler hochgezogen, um die Lücken im Profikader zu schließen. Der Austausch findet dabei hauptsächlich über unsere U23-Trainer statt, die bei Bedarf direkt auf uns zukommen. Weißt Du, was er von Dir fordert, damit es vielleicht auch einmal zu einem Einsatz im Profiteam reicht? Ja, definitiv. Wir hatten vor einiger Zeit ein Gespräch, in dem er mit mir meine Stärken und Schwächen analysiert hat. Hoffenheim spielt ein starkes Pressing, ich muss noch ein besseres Gefühl dafür entwickeln, wann ich den Gegner am besten anlaufe, um ihm Probleme zu bereiten. Außerdem muss ich es schaffen, im Spiel konstant fehlerfrei zu bleiben. Aufgrund Deiner nigerianischen Wurzeln könntest Du auch für das Heimatland Deines Vaters spielen. Wäre das eine Option? Nach den ganzen Auftritten für die deutschen Jugendnationalmannschaften wäre es ein Traum von mir, auch mal für die Großen zu spielen. Nigeria käme dann in Frage, wenn es für die deutsche A-Nationalmannschaft nicht reicht. Der Weg dorthin wird über die Bundesliga führen. Wo siehst Du Dich in naher Zukunft? Ich habe mich bis 2017 langfristig an den Verein gebunden. In den vergangenen anderthalb Jahren konnte ich mich gut entwickeln, das steht an erster Stelle. Ich möchte verletzungsfrei bleiben. Solange ich mich dem Trainerteam der Profis regelmäßig empfehlen kann, bin ich zuversichtlich. Hast Du einen Traum, bezogen auf Deine fußballerische Karriere? Ein Traum war es schon immer, in England zu spielen. Seit ich denken kann, bin ich Fan von Manchester City. Mit elf Jahren hat mir mein Onkel, der damals in Manchester lebte, ein Trikot geschenkt. Das Trikot habe ich immer noch. Ich würde viel opfern um einmal für Manchester City auflaufen zu dürfen.

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