Neustadt Sprache als Schlüssel zur Integration: Hier lernen Menschen von überall Deutsch

Üben mit Ulrike Werland (Dritte von rechts) Deutsch: (von links) Abir Al Sadouni, Hanan Miare, Angie Tellez, Aya Mansur, Lehreri
Üben mit Ulrike Werland (Dritte von rechts) Deutsch: (von links) Abir Al Sadouni, Hanan Miare, Angie Tellez, Aya Mansur, Lehrerin Eredesvinda Lopez Herreros, Khalil al Halal, David Alas und Dasha Dudnyk.

„Und, was gab es heute zu essen?“, fragt Ulrike Werland in die Runde. Lockerer Small Talk beim Verein für Bildung und Integration, der Menschen aus Syrien, El Salvador, Kolumbien, Ukraine und Palästina Gelegenheit gibt, Deutsch zu sprechen. Im Treff in der Talstraße 9 geht es aber um mehr als nur Grammatik und Vokabeln.

Bei diesem Donnerstagstreff kommt man an einem aktuellen Thema nicht vorbei: Das islamische Zuckerfest wird nach dem Fastenmonat Ramadan gefeiert. Ulrike Werland vom Verein für Bildung und Integration hört den Muslimen am Tisch gespannt zu, welche Traditionen dabei gepflegt werden, und stellt Rückfragen – und das nicht nur aus kulturellem Interesse. Denn in alltäglichen Gesprächen können Vokabeln gelernt werden. „Uns ist wichtig, dass die Themen aus dem Leben gegriffen und der gelernte Wortschatz damit praktisch im Alltag ist“, erklärt Werland.

Im Treff ist jeder willkommen, egal, wie gut oder schlecht man Deutsch spricht. Alle haben ein Ziel: ihre Kenntnisse zu verbessern und vor allem: zu üben. Damit das effektiv klappt, wird die Gruppe aufgeteilt, die Anfänger gehen in den Nebenraum. Dort proben sie, wie sie sich selbst auf Deutsch vorstellen. Nebenbei erklärt Lehrerin Eredesvinda Lopes y Herreros grundsätzliche Ausspracheregeln und übt für Ausländer schwierige Laute wie das „ch“ in „ich“ besonders. „Deutsch ist der Schlüssel, um in der Gesellschaft anzukommen“, weiß die gebürtige Spanierin.

Wenig Kontakte zu Deutschen

Muhammed lebt seit zwei Jahren in Deutschland. Der 23-jährige Syrer erzählt, er habe im ersten Jahr gar kein Deutsch gelernt, weil er nicht mit Deutschen in Kontakt gekommen sei. „Ich habe mir dann Youtube-Videos im Internet auf Deutsch angesehen, aber das ist nicht das Gleiche.“ Beim Verein für Integration und Bildung habe er Gelegenheit, Deutsch zu sprechen. Stolz zeigt er seine Unterlagen, er hat die A2-Prüfung geschafft: Das ist die zweite von sechs Stufen nach dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen, der von A1 (Anfänger) bis C2 (Experten) reicht. Muhammed will aber noch weiterlernen. Er träumt von einer Ausbildung und einer eigenen Wohnung außerhalb der Flüchtlingscontainer der Stadt: „Ich hatte in Syrien ein Motorrad und würde hier gerne Automechaniker werden.“

Der Verein für Bildung und Integration hat laut Werland rund 60 Mitglieder, sechs bis zehn Personen seien regelmäßig aktiv. Neben ehrenamtlichen Helfern ist eine Lehrerin auf Minijob-Basis für die tägliche Hausaufgabenbetreuung von 13 bis 15.30 Uhr angestellt. Darüber hinaus gibt es tägliche Alphabetisierungskurse und ein Netzwerk mit anderen Vereinen, Institutionen und Behörden.

Bürokratie kostet Nerven

Das Programm beim Donnerstagstreff sei vielfältig, erzählt Werland: von Austausch und Kennenlernen über Berufs- oder Schuldenberatung und sozialen Hilfen bis zu Unterstützung bei der Wohnungssuche oder beim Ausfüllen von Anträgen. Letzteres sei selbst für sie als Muttersprachlerin „einfach furchtbar, oft verzweifelt man fast“. Die Komplexität der Unterlagen koste Zeit und Nerven. Manchmal seien im regulären Deutschkurs auch Fragen offen geblieben, die Werland im Treff noch mal erklären kann. „Hier sind wir kleine Gruppen, in den Kursen sitzen oft so viele, dass Einzelne kaum zu Wort kommen.“

Ayamansure ist 2017 aus Syrien geflohen. Die 25-Jährige hat sich mittlerweile vom Alphabetisierungskurs bis auf B2-Niveau hochgearbeitet. „Am Anfang habe ich nichts verstanden, hatte Angst und habe geweint. Mein zehnjähriger Sohn musste mir immer helfen“, erzählt sie. Jetzt sei alles besser, und sie liebe Deutsch. Ihr nächstes Ziel: einen Ausbildungsplatz als Kosmetikerin zu bekommen. Dafür schreibt sie fleißig Bewerbungen.

Zusammenhalt stärken

Für das langjährige Engagement bei der Deutschförderung für Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund bekommt der Verein für Integration und Bildung in diesem Jahr den städtischen Johann-Philipp-Abresch-Preis. Die Vereinsarbeit trage „in besonderem Maße zum gesellschaftlichen Zusammenhalt in Neustadt bei“, hieß es in der Begründung. Die 2500 Euro Preisgeld werden Werland zufolge in Lehrbücher, Ausflüge mit Kindern und besondere Aktionen zu Feiertagen investiert. Ansonsten trägt sich der Verein über einen monatlichen Zuschuss der Stadt sowie Spenden.

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