Neustadt Schuften? Nur aus Protest!

Mit dem VW-Skandal und der gekauften Fußball-Weltmeisterschaft hätten die Deutschen menschliche Züge gezeigt und viele Sympathie
Mit dem VW-Skandal und der gekauften Fußball-Weltmeisterschaft hätten die Deutschen menschliche Züge gezeigt und viele Sympathien in Frankreich gewonnen, meint Alfons.

«Neustadt.» Er ist bekannt als der Mann mit dem Puschelmikro: Emmanuel Peterfalvi alias „Alfons“: Am Freitag gab er in der voll besetzten Katakombe des Kleinkunstvereins „Reblaus“ zum Start des zweiten Halbjahrs mit dem Programm „Mein Deutschland“ sein zweites Gastspiel in Neustadt und bescherte seinen Gästen einen mehr als unterhaltsamen Abend, bei dem er unter anderem erklärte, was Deutsche und Franzosen eint, vor allem aber, was sie unterscheidet.

„Wir freuen uns, dass die Sommerpause vorbei ist“, sagte die „Reblaus“-Vorsitzende Heidi Kling vor Alfons’ Auftritt – und der konterte sogleich mit „da weiß man, dass man in Deutschland ist“. Denn der Franzose zelebriert seine Freizeit, liebt es aber auch, den Deutschen bei der Arbeit zuzuschauen. Immer wieder frage man sich in Frankreich, ob die Franzosen so gut sein könnten wie die Deutschen – und komme zu dem Schluss „theoretisch ja, aber dann müssten wir mehr arbeiten ...“ Beim Thema Streik seien die Franzosen den Deutschen hingegen haushoch überlegen: Über dreistündige Warnstreiks wie in Deutschland lache man in Frankreich: „Da heißt das Mittagspause.“ Dass Franzosen freilich schon schuften können, erläutert Alfons anhand des Beispiels einer Teefabrik des Konzerns Unilever in Südfrankreich: Die hatte über Jahre hinweg schlechte Zahlen geschrieben und in der Schweizer Zentrale wurde über einen Umzug ins günstigere Polen nachgedacht. Die Arbeiter besetzten das Werk und bekamen nach vier Jahren Recht vor Gericht. Der Konzern verlor das Interesse und die Arbeiter stellen heute erfolgreich eigenen Tee her – in Anlehnung an 1633 Tage gemeinsamen Protests unter anderem die Sorte „1633“. „Das sind Helden“, meint Alfons. Franzosen könnten also durchaus schuften, wenn sie das tun freilich einzig und allein aus Protest. Was dem Franzosen sein Protest ist, ist dem Deutschen sein Verein: Diese These untermauert Alfons mit einem seiner Einspielfilme, den er in einem Westerndorf bei Köln gedreht hat: Statt Wildem Westen fand er dort ein eher emotionsloses Nebeneinander älterer Herrschaften mit Cowboyhut und Stiefeln vor – und die lässt er mit seiner bewährten Mischung aus Neugier und Arglosigkeit aus dem Nähkästchen plaudern, frei nach dem bewährten Motto „Jeder blamiert sich so gut er kann.“ Dieses Prinzip wendet Alfons auch bei den regelmäßigen Gängen auf den Wochenmarkt in seiner Heimatstadt Hamburg an, wo er auf alle Fragen, die er sich stellt, Antworten bekommt – wobei es weniger um die Qualität als vielmehr um deren Originalität geht. So besucht er unter anderem einen Gottesdienst für Hunde oder ein Seminar zur Bedienung von Fahrkartenautomaten der Deutschen Bahn und lässt die Dinge für sich sprechen, ohne die Menschen vorzuführen. Doch die Deutschen ändern sich, meint Alfons: Mit der gekauften Fußball-Weltmeisterschaft und dem VW-Skandal hätten sie gezeigt, dass sie menschliche Züge hätten und viele Sympathien in Frankreich hinzugewonnen. Denn dort gehe es bisweilen noch trotteliger zu als bei der Deutschen Bahn: 350 Regionalzüge der neuen Generation seien zwölf Zentimeter zu breit für die Bahnhöfe in Frankreich, erzählt er. Bis die 5600 betroffenen Bahnsteige abgeschliffen seien, dauere es vier Jahre: „Auch das gibt es in Frankreich ...“ „Deutsche mögen Recycling“, meint er zur anstehenden Bundestagswahl am kommenden Sonntag: „Warum ein neuer Kanzler, wenn die alte Kanzlerin noch gut ist?“, meint er zum Wahlkampf, der ähnlich spannend verlaufe wie ein als Krimi verkauftes Telefonbuch. „Wir bemühen uns um Abwechslung, ihr schickt immer die Gleiche“, sagt Alfons zu Angela Merkel, die in ihrer Amtszeit schon den Staatspräsidenten Jacques Chirac, Nicolas Sarkozy, François Hollande und jüngst Emmanuel Macron die Hand schüttelte. „Macron hat in seinen zwei Jahren als Finanzminister gezeigt was er kann – nichts“, sagt Alfons über den Mann, der einst „die Schule gewechselt hat, weil er nicht in gleiche die Klasse wie die seiner künftigen Stiefkinder gehen wollte“.

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