Neustadt Hauen und Stechen im Vatikan

Neustadt. An seiner Bewunderung für den neuen Papst Franziskus ließ Vatikan-Korrespondent Andreas Englisch am Montagabend im Saalbau keinen Zweifel aufkommen. „Für mich ist das so, als sei Jesus in den Vatikan gekommen“, sagte der gebürtige Westfale, der seit 1987 in Rom lebt und nach eigenen Worten erst durch die Begegnung mit Johannes Paul II. zum Glauben fand.

Anderthalb Stunden lang plauderte der viele Jahre exklusiv als Korrespondent für „Bild“ und „Bild am Sonntag“ in Rom tätige Journalist im Saalbau vor rund 400 Zuhörern aus dem vatikanischen Nähkästchen – und dies völlig frei, ohne feste Textvorlage, allein mit einem Stehtischchen auf der Bühne. Sehr launig, sehr anschaulich, mit viel Sinn für Skurrilitäten und zupackende Formulierungen berichtete er von seinen Begegnungen mit den drei Männern aus Polen, Deutschland und Argentinien, die nacheinander Inhaber des Petrus-Amtes waren beziehungsweise sind, aber auch von seinen Erfahrungen mit der römischen Kurie, der Gesamtheit der Leitungs- und Verwaltungsorgane des Heiligen Stuhls, sowie wichtigen Vertretern der Weltkirche mit ihren in vielem sehr divergierenden Interessen. Schnell wird dabei deutlich, dass hier jemand spricht, der wirklich Einblick in das für Außenstehende oft nur schwer verständliche Geschehen im Vatikanstaat hat, dieser letzten absoluten Monarchie Europas mit ihren ganz eigenen Gesetzen und Spielregeln. Es wird aber auch klar, wie schwer es hier für einen Journalisten ist, nicht selbst Partei zu werden, sich nicht von einer der vatikanischen Interessengruppen vereinnahmen zu lassen, besonders wenn man wie Englisch als „eingebetteter Journalist“ auf vielen päpstlichen Auslandreisen quasi Teil der vatikanischen Delegation wurde. So war auch beim Vortrag in Neustadt ganz klar, wo Englischs Sympathien liegen – etwa bei seinen Ausführungen zu den Tricksereien der Vatikan-Bank IOR oder zur Papst-Wahl im März 2013, die er als Aufstand der Vertreter der Weltkirche gegen die korrupten Kurienkardinäle deutet, die mit aller Macht die Wahl des ihnen verhassten Erzbischofs von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio, verhindern wollten. Spannend waren hier unter anderem seine Aussagen zum bereits in die Wege geleiteten Rücktritt des späteren Papstes wegen Erreichen der Altersgrenze. „Wenn Bergoglio nicht im März zum Papst gewählt worden wäre, wäre er im April weg vom Fenster gewesen“, so Englisch in seinem Vortrag. Mit dem neuen Mann aber verbindet der Journalist große Hoffnungen: „Ich glaube, dass die katholische Kirche mit ihm auf einem neuen, guten Weg ist“, sagt er und verweist auf die von Franziskus initiierte, bislang singuläre Umfrage zur Sexualmoral, auf die jüngsten „Riesenschritte“ in der Ökumene und den neuen Umgang mit schwarzen Schafen in den eigenen Reihen, die jetzt eben tatsächlich im Kittchen landeten und nicht mehr durch einen vatikanischen Diplomatenpass gedeckt würden, wie dies früher oft der Fall war. Genährt wird seine Hoffnung durch das Vertrauen in die Durchsetzungsfähigkeit des Papstes: „Franziskus lächelt, aber man sollte sich mit ihm nicht anlegen.“ Eine Prognose, ob die Kräfte des 78-Jährigen ausreichen, den Kampf zu bestehen, wollte Englisch aber doch nicht abgeben: „Es ist ein Hauen und Stechen“ und man sehe dem Papst die Strapazen des Amtes in letzter Zeit doch sehr deutlich an.

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