Neustadt Greens Schachzug rächt sich

Zunächst sah alles nach einem genialen Schachzug aus. Als Robert Wickens, Augusto Farfus und Timo Glock in Runde 22 beim DTM-Rennen in Spielberg an die Box zum Reifenwechsel abbogen, blieb Jamie Green, Pilot des Neustadter Rosberg-Teams, draußen auf der Strecke. Sein Plan: Mit einer schnellen Runde so viel Zeit gut machen, dass er die Führung übernehmen würde.

Als er in der folgenden Runde mit ebenfalls neuen Reifen auf die Piste zurückkehrte, hatte der Brite dies tatsächlich geschafft. Der 32-Jährige lag in Führung. Während der Routinier sich über die freie Fahrt freute, steckten am Kommandostand Rosberg-Teamchef Arno Zensen, Audi-Motorsportchef Wolfgang Ullrich und DTM-Leiter Dieter Gass die Köpfe zusammen. Ihnen war klar, dass ihr Pilot einen Fehler gemacht hatte. Die weichen Optionsreifen, mit denen Green gestartet war, dürfen maximal 49 Prozent der Renndistanz benutzt werden. Macht bei 47 Runden 23. Doch am 26. Mai war den Teams mitgeteilt worden, dass für Spielberg die Distanz auf maximal 22 Runden festgesetzt wird. Die Folge: Jamie Green erhielt von den Kommissaren eine Durchfahrtsstrafe. Dadurch fiel er auf Platz sieben zurück. Die Audi-Chefs wollte ihrem Piloten eine goldene Brücke bauen, sprachen von einem Kommunikationsfehler. Doch Jamie Green wollte dies nicht. In der Gesprächsrunde mit den Journalisten sagte er klipp und klar: „Es war ein Fehler, ich muss mich entschuldigen.“ Zwar war er von seinem Ingenieur Erich Baumgärtner zum Boxenstopp aufgefordert worden, doch er entschied sich zum Draußenbleiben. Auch in der Audi-internen Besprechung nach dem Rennen nahm er den Fehler auf seine Kappe, entschuldigte sich: „Das Auto war gut, ich war schlecht.“ Sich zu stellen und keine Ausflüchte zu suchen, nennt man Charakter. Am Ende erreichte Green Platz acht. „Sehr schade, ich habe einen Platz auf dem Podium vergeben.“ Für Green waren die vier Punkte wenigstens noch ein kleiner Trost. Durch diesen Fehler war Green um den Lohn seiner Arbeit gekommen. Beim Qualifying am Samstag war er Sechster. Bester Audi-Pilot. Danach träumte er: „Das ist kein schlechtes Ergebnis, es gibt mir die Chance, um den Sieg mitzukämpfen.“ Die Chance vergab er dann selber. Aber Zensen gab auch zu: „Für den Sieg hätte es nicht gereicht.“ Dazu waren die BMW mit Marco Wittmann an der Spitze zu stark. Der Fürther führt nach seinem dritten Saisonsieg im sechsten Rennen mit 39 Punkten Vorsprung vor Mattias Ekström (Audi). „Der Zug für die Meisterschaft ist für uns praktisch abgefahren“, sagt Zensen. Nicht nur Green musste zur Strafe durch die Boxengasse fahren und hat so etwa 16 Sekunden verloren, auch Nico Müller hat es getroffen. Der Schweizer hatte seine Geschwindigkeit in dem Abschnitt, in dem BMW-Pilot da Costa sein havariertes Fahrzeug abstellen musste, nicht genügend vom Gas gegangen. „In der Runde davor habe ich genau in diesem Abschnitt zwei Konkurrenten überholt“, sagt Müller, „dadurch war ich langsamer als normal. Dies noch einmal zu unterbieten, war fast unmöglich.“ Kleiner Trost: Neben Müller wurden vier weitere Fahrer bestraft. „Es tut weh, wenn man sieht, dass Strategie und Tempo gepasst hätten.“ Und das, obwohl er am Samstag das Qualifying wegen Problemen mit der Elektrik nicht richtig bestreiten konnte, danach Batterie und Lichtmaschine ausgetauscht werden mussten. Aber mit beiden Reifentypen sei die Balance gut gewesen. Müllers Referenz ist sein Teamkollege Adrien Tambay. Als er seine Strafe antrat, war der Franzose vor ihm. Im Ziel war dieser Fünfter. Müller dagegen wird im Endklassement auf Platz 19 geführt. Einige positive Ansätze konnten also sowohl Teamchef Arno Zensen als auch seine beiden Fahrer Jamie Green und Nico Müller erkennen, obwohl sie am Ende trotzdem mit fast leeren Händen aus der Steiermark abreisen mussten. Man könnte aber auch sagen: einfach verzockt.

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