Neustadt Frauen mit Sehnsucht

Neustadt. Die Musik, die am Samstagabend in der Alten Winzinger Kirche erklang, verband einiges mit den gotischen Wandmalereien dort: Sie war nämlich, wenigstens zum Teil, genauso alt. Die vier Musiker des Ensembles „La Lauzeta“ aus Heidelberg spielten Minnesang aus dem 12. und 13. Jahrhundert, spanische Liebesdichtung aus etwa der gleichen Zeit und religiöse Lieder. Dazu kamen sephardische Lieder der spanischen Juden und alte deutsche Volkslieder.

„La Lauzeta“, das ist die Lerche, und die Lerche ist Regina Schmidt, Sängerin und musikalisches Zentrum des Ensembles. Mit ihrer klaren, ausdrucksstarken Stimme erweckt sie eine Musik und eine Dichtung zum Leben, die viele hundert Jahre alt ist, ob sie auf deutschen Burgen oder spanischen Adelssitzen erklang, in Klöstern, auch dem der Hildegard von Bingen, oder den alten Städten, nicht zu vergessen die Musik der sephardischen Juden, die, ursprünglich aus Spanien stammend, sich später über den ganzen Mittelmeerraum und den Balkan verbreiteten. Begleiter der „Lerche“ war die Gruppe „Ay! Amiga“, bestehend aus Ines Hartig-Mantel mit ihrer Drehleier und einem Korb voll Flöten, Bert Brückmann mit Gitarre und Cister, einem lautenähnlichen Zupfinstrument, und Ismael Rodriguez mit indischen Tablas und einem reichen Fundus an Percussion-Instrumenten.

Zwei lebhafte mittelalterliche Tanzstücke, „Nonsuch“ und „Shiarazula“, stimmte auf das Programm ein, das „Ay! Amiga“ nach einem Liedtitel benannt hatte. „Ondas do mar“ ist das schmerzlich-sehnsüchtige Lied eines Mädchens aus der nordspanischen Sammlung „Cantigas de amigo“ aus dem 13. Jahrhundert, das die Meereswellen nach dem Geliebten fragt. Ein besonderer Teil des Programms war der Minnesang. Zwar sind viele der mittelhochdeutschen Gedichte überliefert und bezaubern bis heute, aber es gibt kaum Melodien dazu, obwohl andere Musik aus der gleichen Zeit, etwa liturgische Musik, durchaus festgehalten wurde. So hat sich Regina Schmidt selbst an die Arbeit gemacht und nach dem Muster der wenigen Minnelied-Melodien, der viel reichhaltigeren Musik der Sangspruchdichtung und anderer zeitgenössischer Tondichtung Melodien für Minnedichtungen entwickelt.

So kam Wolfram von Eschenbachs Minnedichtung „Ich han nach lieben friunde“ zu singbarer Melodie, a capella vorgetragen, nur mit einem Bordun-Grundton von der Drehleier unterlegt. Auch hier schaut wieder ein Mädchen sehnsüchtig nach seinem geliebten Freund aus, dieses Mal schaut sie aus den Fenstern der Burg. Schicksal der Frauen aller früheren Zeiten: Der Mann zieht hinaus in Kriege und Abenteuer, und sie weiß nicht, ob er überlebt und zurückkommt. In der zweiten Hälfte des Programms trug Regina Schmidt noch zwei Minnelieder von Heinrich von Veldeke aus dem 12. Jahrhundert vor, die sie auf die gleiche Weise vertont hatte. Einmal stellen der Mann und dann die Frau ihren Liebesstandpunkt dar, einmal bedauert der Abgewiesene, dass er durch eigene Schuld seine Liebe verloren hat. Ob die Minnesänger sich genau so angehört haben, lässt sich nicht mehr klären, aber es klingt echt – und sehr romantisch.

Auch bei den sephardischen Liedern dreht sich alles um die Liebe, meist die unglückliche, und es mischten sich deutlich orientalische Klangbilder hinein. Ismael Rodriguez verstärkte mit seinen indischen Tablas, die einen sehr „sprechenden“ Ton haben, den Rahmentrommeln und Tamburinen den Orientklang. Die Lieder wurden zwar erst Mitte des 19. Jahrhunderts aufgeschrieben, entstanden aber sehr viel früher und nahmen Einflüsse rund ums Mittelmeer auf.

Auch religiöse Musik war Teil des Programms. Tief beeindruckt waren die Zuhörer von einem Lied Hildegards von Bingen, die ja, neben vielen anderen Begabungen, auch eine begnadete Komponistin war. Sie schrieb liturgische Musik für Frauenstimmen, vor allem zum Vortrag im Kloster. „Splendidissima gemma“ ist einstimmig und ohne Instrumentalbegleitung, aber voll überreicher Melodik und stimmlicher Verzierungen, höchste Anforderungen an die Sängerin stellend, die diese atemberaubend meisterte. Sehr reizvoll waren auch ein deutsches und spanisches Lied zu Mariä Verkündigung, zu dem das Fresko der Verkündigungsszene an der Altarwand den richtigen Hintergrund bildete.

Auch einige ganz alte deutsche Volkslieder hatten die Musiker im Programm, „Es geht eine dunkle Wolk herein“, und „Der grimmig Tod“, düstere Lieder über die allgegenwärtige und sehr berechtigte Todesfurcht, genährt von Kriegen und Epidemien. Lebhafte Tänze, seien sie alt oder den alten nachempfunden, waren ein Gegengewicht und brachten die Instrumentalisten in den Vordergrund, Drehleier, Cister und die bemerkenswerte Percussion.

x