Neustadt „Es ging alles schief, was schief gehen konnte“

Adenau. Jamie Green schaute nicht aus wie ein glücklicher Jubilar. „Das also war mein 100. DTM-Rennen?“, fragte er in die Runde. Dann gab der Audi-Pilot sofort sein Resümee: „Das war keine gute Nummer für mich. Es ging alles schief, was schief gehen konnte.“ Auf Platz 15 wird der Rosberg-Pilot in der Nürburgring-Ergebnisliste geführt. Dabei hatte alles so gut angefangen. Am Samstag hatte der 32-jährige Brite die viertschnellste Zeit erzielt. „Vielleicht wäre noch ein wenig mehr drin gewesen, aber wir haben ein wenig gepokert“, gab Teamchef Arno Zensen hinterher zu. Auf alle Fälle hatte Green fürs Rennen noch einen frischen Satz Reifen aufgespart. „Neue Reifen können ein Vorteil sein“, sagte Zensen zuversichtlich. Eigentlich hätte beim Start auch nicht viel schief gehen sollen. Hinter Polesetter Marco Wittmann, der mit einem souveränen Start-Ziel-Sieg die Meisterschaft bei noch drei ausstehenden Rennen und 64 Punkten Vorsprung fast sicher hat, standen fünf Audi. Green mittendrin. Doch beim Losfahren drehten seine Hinterräder zu stark durch, sodass er Plätze verlor, statt welche zu gewinnen. Beim Anbremsen zur ersten Kurve geriet er in ein Sandwich mit seinen Teamkollegen Timo Scheider von links und Miguel Molina von rechts. Zensen: „Da sind Teile weggeflogen, schon war die ganze Aerodynamik kaputt.“ Damit nicht genug der Kontakte. Es ging für Green gerade so weiter. „Christian Vietoris hatte die perfekte Sicht“, sagt Green. Also lassen wir den Mercedes-Fahrer erzählen: „Augusto Farfus wollte in Kurve vier, dort wo man sonst nicht überholt wird, unbedingt an Jamie Green vorbei. Das war echt hart.“ Der Auftakt eines mehrfachen Treffens. Denn schon wenige Runden später begegneten sie sich wieder. Dieses Mal am Ende der Start-Ziel-Geraden. Green schiebt sich mit seinem Audi neben Farfus’ BMW. Der versucht zu blocken. „Das muss man machen, bevor man bremst“, sagt Green. Der kommt vorbei, muss aber eine weite Linie fahren. Wieder sind sie nebeneinander, wieder nimmt Farfus seinem Konkurrenten den Platz. „Hat er erwartet, dass ich vom Gas gehe?“, fragt Green. Tut er nicht. In der Folge dreht er den grün-blauen BMW um 90 Grad, schiebt ihn vor ich her. „Zuerst wollte Jamie links raus, da wurde er vom Vorderrad blockiert“, erklärt Zensen. Erst als er nach rechts lenkte, dreht er Farfus weiter. Beide erhielten für ihr Verhalten eine Verwarnung von den Sportkommissaren. Mit dem malträtierten Auto konnte Green natürlich nicht mehr richtig fahren. Deshalb wurde er immer weiter nach hinten durchgereicht. Heftig demoliert stand auch das Fahrzeug des Teamkollegen Müller nach dem Rennen in der Rosberg-Garage. Er hatte von seinem Markenkollegen Timo Scheider einen Rammstoß in die Seite erhalten. Doch der war auch ohne Schuld. Er hatte von Mercedes-Pilot Robert Wickens einen kräftigen Schubs bekommen. „Das war eine dumme, überflüssige Aktion“, sagte Scheider. Und Müller ärgerte sich: „Wir haben viele, viele Punkte liegen gelassen.“ Immerhin war er zum Zeitpunkt seines Ausscheidens bester Fahrer auf den Standardreifen. Zurück zum Jubilar Jamie Green. „Die 100 Rennen vergingen unheimlich schnell. Es macht mich besonders stolz, so lange auf diesem Niveau zu fahren.“ Am 17. April 2005 war er zum ersten Mal dabei. Achtmal hat er ein Rennen als Erster beendet, viermal am Norisring. Bei seinem Wechsel 2013 zu Audi sagte Motorsportchef Wolfgang Ullrich, dass er mit der Verpflichtung Greens quasi den Sieg in Nürnberg verpflichtet habe. Die Ingolstädter warten seit neun Jahren auf einen Erfolg auf dem einzigen DTM-Stadtkurs. In diesem Jahr wurde er immerhin Zweiter. „Die Leute meinen, der Norisring sei meine Lieblingsstrecke“, sagt er, „dabei habe ich dort in der Vergangenheit einfach nur immer gute Ergebnisse erzielt.“ 15.982 Kilometer hat er seither in den 100 Rennen in einem Rennauto zurückgelegt. 1015 Kilometer davon in Front gelegen. Zur Meisterschaft hat es noch nicht gereicht. 2012, in seinem letzten Mercedes-Jahr, war er Dritter geworden. Ein wenig ärgert ihn, dass Bruno Spengler, mit dem er gemeinsam in die DTM gestartet war, 2012 den Titel geholt hat. „Da kommt noch was“, sagt sein Teamchef Zensen, „es ist ein längerfristiges Ziel, im nächsten Jahr um die Meisterschaft zu fahren.“ „Jamie ist sehr konzentriert, aber auch sehr locker“, sagt Hans-Jürgen Abt über den Piloten, der im vergangenen Jahr in seinem Team gefahren war. „Er weiß genau, was er will.“ Als offen und ehrlich, als absoluten Teamplayer beschreibt Arno Zensen seinen Piloten. Und er ist ein Familienmensch. Seine Frau Ginny und die beiden Söhne begleiten ihn regelmäßig zu den Rennen. Große Freude am Jubiläum hatten sie allerdings auch keine. (Archivfoto: Schoke)

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