Neustadt Ein Schlössel zum Verlieben

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Neustadt-Diedesfeld. Trutzig wirkt es zunächst von der Kirchwiesenstraße her, das von Eberhard Freiherr von Dienheim in den Jahren 1588 bis 1594 erbaute Diedesfelder Schlösschen mit seinen Nebengebäuden. Als Bischof von Speyer hatte er sich hier eine Sommerresidenz und Lagerraum für den Zehnten, die Naturaliensteuer für die Kirche, geschaffen. Da er sich jedoch laut Chronik des bischöflichen Archivs in Speyer überschuldete, wurde das Anwesen bereits wenig später weiterverkauft und wechselte in der Folge ständig den Besitzer, bis es 1978 Bernt Carstens erwarb – in einem beklagenswerten Zustand.

Der festungsartige Charakter geht dabei gar nicht auf den Erbauer zurück: Erst die Herren von Weingarten, die das Anwesen im 17. Jahrhundert bewohnten, bauten es entsprechend aus. Da die hohen Mauern teilweise bis heute erhalten sind, ist der wehrhafte Eindruck geblieben. Einmal um das Gebäude herum in die Lauterstraße eingebogen, führt der Weg an ein schweres, großes Holztor. Erst geöffnet gibt es den Blick auf eine malerische Gebäudeanlage mit plätscherndem Wasserlauf, Fischbecken und viel Grün rings um die alten Pflastersteine frei. Der Restaurator Otto Schulz aus Herxheim hatte es 1978 fachmännisch begeistert so formuliert: „Renaissance-Hofgebäude mit Treppenturm, das Portal des Sandsteinturmes hat gezierte Halbsäulen mit korinthisierenden Kapitellen und der Datierung 1594; die Kapitelle waren teils echt vergoldet.“ „Dabei hätten sie mal die Gemäuer sehen sollen, die ich 1978 gekauft habe“, meint Bernt Carstens amüsiert, wenn er den Text erwähnt. Alte Fotos aus dieser Zeit zeigen eine Ruine ohne jeden Hauch von Schloss-Glamour. Dass der Komplex damals im Grunde abrissreif war, daran lässt er keinen Zweifel. Als Carstens sich auf Vorschlag des damaligen Oberbürgermeisters Wolfgang Brix die Gebäude neben einer seiner Firmen der Weinkellereien Carstens-Haefelin näher ansah und beschloss, zu kaufen, ahnte er noch nicht, welch finanzieller und zeitlicher Aufwand ihn erwartete. Fast viermal so hoch wie geplant seien letztlich die Kosten gewesen, und das „vor allem wegen des Denkmalschutzes“, erinnert sich Carstens. Allerdings auch, wegen seines perfektionistischen Anspruchs, dem sein Architekt Heinrich Jost und einheimische Baufirmen Rechnung tragen mussten. Denn wenn schon wiederherstellen, dann möglichst alles in Originaltechnik und mit originalen Baustoffen. Zuschüsse habe er damals keine erhalten. „Wer so eine Ruine wieder aufbauen will, sollte sehr genau seine finanziellen Möglichkeiten kennen“, rät der Unternehmer deshalb allen Interessierten. Mittlerweile allerdings kann er entspannt auf den enormen Restaurierungsaufwand zurückblicken, den er damals auf sich genommen hat. Allerdings dauerte es einige Zeit, bis Familie Carstens zu dem „repräsentativen und großzügigen Wohngenuss“ kam, den sie sich vorgestellt hatte. Neben dem Wohnhaus richtete Carstens in dem Komplex auch ein Gästehaus und Büros seiner Perlweinmarke „Kleine Reblaus“ ein. Nach Jahren, in denen die Carstens’ das Anwesen selbst bewohnt hatten, folgten Vermietung und anschließender Weiterverkauf der Wohngebäude an einen Schweizer Investor und der Geschäftsgebäude an die Diedesfelder Familie Zeter. Unter dem alten Hofpflaster, dessen Steine mühsam aus einer Asphaltdecke gelöst werden mussten, wurden Gas-, Elektroleitungen und Wasserrohre verlegt. „Der plätschernde Wasserlauf mit dem modernen Steg sollte mich an die schönen Erlebnisse auf der Binnenalster mit der Lombardsbrücke erinnern“, lacht der gebürtige Hamburger Carstens. Denn auch, wenn der Denkmalschutz in alle Sanierungsschritte eingeschaltet gewesen sei, habe er ihm bei der Gestaltung der Außenanlage recht freie Hand gelassen und auch gestattet, den markanten Treppenturm unverputzt zu lassen. Hand in Hand habe man gearbeitet und wohl auch deshalb so gut eigene Vorschläge einbringen können, weil den Denkmalhütern schnell Carstens ernsthafte Bemühungen um das historische Gemäuer klar wurden. In dem Schreiner Keller und Kirchenmaler Crämer hatte er versierte Handwerker gefunden. Im Treppenturm wurden die Sandsteinstufen, die sich um die Spindel winden, wieder trittfest aufgefüllt. Die historische Ornamentmalerei wurde durch Originalfarbmischungen in beeindruckender Leuchtkraft aufgefrischt, die Kugel des Dachs golden lackiert. 1989 wurde das Schlössel schließlich noch durch einen Anbau für die Filiale der VR-Bank Diedesfeld erweitert. Lutz Zeter, Mitgeschäftsführer der Firma „Wein im Schlössel“, erklärt, dass das für die Verwaltung der Weinagentur und den Weinladen im Jahr 2012 von seiner Familie gekaufte Schlössel nach dem Erwerb keiner weiteren großen Sanierung bedurft habe. „Herr Carstens hatte die Restaurierungen so hochwertig abgeschlossen, dass wir nur den Innenbereich gründlich renovieren mussten“, erklärt er. Wer ein so altes Anwesen mit Gemeinschaftshof kaufe, den der Schweizer Investor während einiger Monate Aufenthalt im Jahr weiter mit nutze, sollte auch immer gute Nachbarschaft pflegen. „Das passt hier so gut bei uns“, meint Zeter zufrieden, dass auch dieses Jahr wieder zur Diedesfelder Weinkerwe der Hof für kulinarische Genüsse im alten Gemäuer geöffnet werden könne.

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