Neustadt Ein Rückreise-Koffer voll mit Wissen

„Ich bin nicht zur Schule gegangen, ich bin gefahren“ – Das ist einer der vielen Eindrücke, die Mizghona Gumulova jetzt aus Neustadt mit in ihre Heimat genommen hat. Knapp drei Wochen hat die Deutschlehrerin aus der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe das deutsche Unterrichtssystem, aber auch Land und Leute bei einem internationalen Lehreraustauschs kennenlernen können. „Alle hatten sich schon vorher riesig auf sie gefreut“, sagt Bettina Glatz-Fischer, Leiterin der Gäuschule Böbingen-Gommersheim, wo die Tadschikin am Grundschulunterricht teilgenommen hatte. Ein Kind habe im Internet recherchiert, um den anderen etwas über Tadschikistan erzählen zu können. „Nach den guten Erfahrungen mit Vishrut Patel aus Indien 2013 haben die Eltern darum gebeten, dass wieder ein Austauschlehrer kommt. Sie haben auch gemeinsame Unternehmungen angeboten“, erläutert Glatz-Fischer. Der Entschluss fiel leicht: Das Lehrerkollegium war einstimmig dafür. Gewohnt hatte Gumulova in Diedesfeld. Der erste Gang führte sie zum Hambacher Schloss. Auf ihrem Programm standen außerdem Heidelberg, wo ihr besonders die Universitätsbibliothek gefallen hat, Speyer, dessen Dom sie faszinierte, und Landau, wo sie im Zoo zum ersten Mal Zebras sah, sowie Theaterbesuche in Mainz und Viernheim. „In Mannheim konnte ich bei einer Klassenfahrt die Moschee besuchen, deren Empore Frauen offensteht“, berichtet Gumulova tief beeindruckt. Es war nach 19 Jahren das zweite Mal, dass die Muslima eine Moschee betreten konnte. Zuletzt war sie als Neunjährige in einer usbekischen Moschee gewesen. Aber auch die Mannheimer Synagoge wurde bei der Klassenfahrt angesteuert. In Deutschland hätten die Schüler sehr gute Möglichkeiten, mit den Lehrern herumzukommen und viel kennenzulernen, so Gumulovas Beobachtung. „Die Kinder werden sehr offen erzogen. Sie haben keine Angst, können fragen und sagen, was sie möchten. In Tadschikistan müssen sie mehr auf die Eltern hören, die dort für mehr Autorität sorgen“, macht die Pädagogin kulturelle Unterschiede aus. Neben ihrer Muttersprache beherrscht Gumulova auch noch Russisch, Persisch und Englisch. „Deutsch ist meine zweite Sprache“, erklärt sie in perfektem Deutsch. Was familiär bedingt ist: Ihre Mutter hatte eine deutsche Freundin, die oft ins Haus kam. Zu Hause in Tadschikistan unterrichtet Gumulova Deutsch vormittags in unteren Klassen und hilft in höheren aus – nachmittags trifft sie sich mit wissbegierigen Schülern, die zur Vertiefung des Lernstoffs bei ihr vor der Haustür stehen. „Dreimal die Woche Deutschunterricht reicht nicht“, sagt sie, „das muss täglich sein.“ Ohne eine Fremdsprache könnten Kinder nach Ansicht der Eltern keinen guten Beruf in Tadschikistan finden. „Viele meiner Landsleute lernen jetzt Deutsch“, sagt sie. Darunter seien nicht nur Berufstätige, die bei deutschen Firmen beschäftigt seien. Auch 65- bis 70-Jährige würden Kurse an Sprachlernzentren besuchen. „Inzwischen sprechen auch viele Studenten Deutsch – etwas mehr sogar als Englisch.“ Ihre Sprachkenntnisse kamen der Tadschikin in der Pfalz zugute. „Im Neustadter Globus-Markt hat mir eine wildfremde Frau wertvolle Tipps für das Häkeln gegeben“, erzählt sie lachend. „Die Menschen hier sind sehr höflich und tolerant. Es wurde nie geschimpft“, sagt Gumulova, die auch von Eltern ihrer Schüler eingeladen worden war. „Ich kehre mit einem Koffer voller Wissen heim“, sagt die junge Frau beim Abschied. Im Gepäck hat sie aber nicht nur viele Bilder- und Liederbücher für ihren Deutschunterricht daheim, sondern auch ein Waffeleisen und ein Raclette-Gerät. Deren Gebrauch hat sie bei Familien in Edenkoben und Maikammer kennen- und schätzen gelernt.

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