Neustadt Ein Neuanfang im alten Beruf

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Der 32-jährige Morad Morad aus Syrien hat einiges hinter sich. Seine Flucht nach Deutschland im Juli 2015 dauerte 22 Tage – in einem Schlauchboot, zu Fuß und mit Bussen. Über die Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende in Ingelheim kam er nach Roßbach in den Westerwald, und jetzt ist er in Neustadt gelandet: Seit April absolviert Morad bei der RLP Agroscience GmbH in Mußbach als einer der ersten Flüchtlinge in Deutschland ein Freiwilliges Ökologisches Jahr.

Das Pilotprojekt, das auch Asylbewerbern, die älter als 27 Jahre sind, die Teilnahme am ökologischen Freiwilligendienst in Rheinland-Pfalz erlaubt, startete Ende 2015. Damals nahm Umweltministerin Ulrike Höfken den ersten Flüchtling im Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ) des Biohofs Hachenburg im Westerwaldkreis auf. Und soweit Roland Kubiak, der Leiter des dem Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum in Mußbach angeschlossenen Agroscience-Instituts, informiert ist, hat außer dem Biohof und nun seiner Einrichtung noch niemand sonst einen Flüchtling im FÖJ aufgenommen. Insofern ist Morad Morad etwas Besonderes – das ist dem sehr bescheiden wirkenden Syrer aber völlig unwichtig. Für ihn zählt nur, dass er jetzt die Möglichkeit hat, beruflich Fuß zu fassen und seine Chance auf dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland zu erhöhen. Die Arbeit in einem Labor ist für Morad nichts Neues: In seiner Heimatstadt Hassaka im Norden Syriens arbeitete der Agraringenieur fünf Jahre als Umweltanalytiker. „Das, was er in Syrien gemacht hat, soll er hier ausbauen“, sagt sein neuer Chef. Der Agroscience-Leiter ist dem Wunsch des Landes, die landeseigene Forschungsanstalt in Mußbach möge dazu beitragen, Flüchtlinge zu integrieren, „gerne gefolgt“. Dieses Projekt trage dazu bei, „dass hier im Institut ein internationaler Wind weht. Das belebt eine solche Einrichtung“, erläutert Kubiak. Unterstützt wird der neue Mitarbeiter von Djamal Guerniche, der aus Algerien stammt, seit 2001 in Deutschland lebt und Morads Sprache spricht. Seit zehn Jahren ist Guerniche am Institut angestellt, zunächst als studentische Hilfskraft, seit 2009 als fest angestellter Informatiker. Morad ist dankbar, dass ihm Guerniche schon beim Ausfüllen von behördlichen Anträgen geholfen hat. Denn dafür reichen seine Deutschkenntnisse noch nicht ganz aus. Im Alltag kommt der Syrer mit seinem Deutsch aber schon gut zurecht. Die wichtigsten Grundkenntnisse hat er in einem Integrationskurs gelernt, weiterführende Kenntnisse wird er nun bald in der Neustadter Volkshochschule erwerben. Deutsches Fernsehen und Lesen helfen ebenfalls, wie Morad berichtet. Zudem unterhält er sich viel mit seinem Vermieter. Der ist 88 Jahre alt und hat Morad in seiner Wohnung in der Kernstadt aufgenommen. Er unterstütze ihn im Alltag und bei Behördengängen, freut sich der 32-jährige Syrer. Auch stellt der Senior Morad ein Fahrrad zur Verfügung, damit dieser bei gutem Wetter nach Mußbach radeln kann. Ansonsten nimmt er den Bus. Und nach syrischer Art kochen darf der Gast aus dem Mittleren Osten auch. Über solche Kleinigkeiten freut sich Morad ungemein. Er sei in Deutschland sehr gut aufgenommen worden, betont er: „Die Leute helfen mir immer.“ Er wirkt sehr bescheiden, hoffnungsvoll, mit überschaubaren Zielen für die Zukunft. Im Grunde sind es nur drei: in Deutschland bleiben zu dürfen, durch gute Arbeit selbst für seinen Unterhalt sorgen zu können – und endlich wieder seine Frau in die Arme zu schließen. Seit etwa einem Jahr ist Morad verheiratet, doch seine Frau ist noch in Syrien. Nächstes Jahr habe sie einen Termin bei der deutschen Botschaft in Libanon, dann klappe es vielleicht mit der Wiedervereinigung. Bis dahin können die beiden nur telefonieren. Immerhin kann Morad ihr nun regelmäßig von seiner Arbeit berichten.

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