Neustadt Ein Fluch auf die Kriegsgewinnler

Meckenheim. Gleich zwei hervorragende Folk-Duos präsentierten am Sonntagabend in der Reihe „Kultur im Rathaus“ im Hof des Meckenheimer Rathauses Traditionals und zeitkritische Songs aus England, Irland, Schottland und den USA: Das schottisch-irische Gesangspaar „Goodwin & Gray“ und die aus Nordengland stammenden Sänger von „Broom Bezzums“ sorgten für Stimmung und Nachdenklichkeit. Nur eines fehlte: mehr Publikum.

Das hätten die vier Musiker verdient gehabt, zählen sie doch zu den besten der Szene. „Broom Bezzums“ etwa, die Ginsterbesen, sind bereits mehrfach mit dem deutschen Rock- und Pop-Preis ausgezeichnet worden. Iain Goodwin und Tim Gray beginnen mit Liebesliedern. Doch statt Weltschmerz und Liebesleid schildern sie mit einem Augenzwinkern freche Episoden. Wenn der Mann beispielsweise völlig durchgefroren bei seiner Liebsten ankommt und sie ihn nicht hereinlassen will. Was tut Mann? Er jammert ein bisschen, und schon lässt sie ihn durchs Fenster schlüpfen. Eine besondere Liebesgeschichte ist auch die des „Female Drummer“, des Bauernmädchens, das aus Abenteuerlust als Mann verkleidet in den Krieg zieht, in dem sich dann eine Dame in ihn/sie verliebt. Ernsthafter sind Liebeslieder aus den USA wie „Fair Young Maid in Her Father’s Garden“, in dem ein junger Kriegsheimkehrer seine Liebste auf die Treue-Probe stellt. Dazwischen gibt’s Instrumentalstücke wie irische Polkas. Ja, diesen Tanz haben die Iren tatsächlich von den Tschechen übernommen und im Takt leicht verändert. Und nein, tanzen dazu will niemand, doch auf den Biertischen wird munter der Rhythmus mitgeklopft. Und da auch Politik zum Folk gehört, singen „Goodwin & Gray“ unter anderem auch von der Rebellion der von den englischen Arbeitgebern ausgebeuteten irischen Textilarbeiter im 18. Jahrhundert. Ein ganz ähnliches Repertoire und viele Lieder ihrer neuen CD stellen im Anschluss „Broom Bezzums“ vor. Sie sind die lauteren, die temperamentvolleren, noch professioneller auftretenden Vertreter des Genres und waren vor zwei Jahren schon einmal in Meckenheim. Diesmal haben sie unter anderem ein Shanty, ein Seemannslied aus der Pfalz mitgebracht. Zwar ist christliche Seefahrt auf der Marlach und anderen regionalen Gewässern nicht möglich, doch ihre Aufforderung „Keep Hauling“ (Mach weiter), im Rhythmus des Ankereinholens gesungen, sei in Weisenheim am Sand entstanden, flapst der studierte Folk-Musiker Andrew Cadie. Auf den besinnlichen Anfang folgen Reels, so schnell gespielt, dass Mark Bloomer, ursprünglich Schlagzeuger, die G-Saite der Gitarre reißt. Einer der Schwerpunkte von „Broom Bezzums“ sind politische Lieder, moderne selbst geschriebene und Protestlieder aus vergangenen Zeiten. Da schwingen trotz der mitreißenden Rhythmen Wut und Bitterkeit mit, wenn aus der Geschichte nichts gelernt wird. Wenn sie wie in „Here We Go Again“ die sich stets wiederholende Ausbeutung der Armen durch die Reichen zur Sprache bringen oder in „Fishing in Troubled Waters“ die skrupellosen Kriegsgewinnler, die „ein ganz dreckiges Geschäft betreiben“. Ihnen ist das Lied gewidmet. „Nicht als Geschenk, sondern als Fluch.“ Auch mit ihren Antikriegsliedern stehen Broom Bezzums inhaltlich in der Tradition der Protestbewegung der 1960er und 1970er Jahre, um gleich darauf wieder mit traditionellen irischen, schottischen und englischen Tanzweisen wie zwei übermütige Lausbuben auf der Bühne zu wippen. Davon lassen sich auch „Goodwin & Gray“ anstecken, die sich unter das Publikum gemischt haben. „Wir werden eine solche Veranstaltung im nächsten Jahr wiederholen“, versprach Bürgermeister Heiner Dopp. „Es hat Spaß gemacht.“ Wo er Recht hat, hat er Recht.

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