Neustadt Ein Amen wie ein Ausrufezeichen

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Neustadt. Spannend und recht ungewöhnlich in der Programm-Zusammenstellung fiel in diesem Jahr das traditionelle Weihnachtskonzert des Philharmonischen Chors Liedertafel Neustadt mit der Kammerphilharmonie Weinheim unter der Gesamtleitung von Hans Jochen Braunstein im Saalbau aus. Zwei große, ganz moderne Vertonungen des weihnachtlichen „Gloria in excelsis Deo“ für Chor und Orchester wurden da am Sonntagabend kombiniert mit zwei kürzeren weihnachtlichen Orchesterwerken des 19. Jahrhunderts mit jeweils ganz anderem Charakter.

Das Orchester begann das Konzert mit zwei Auszügen aus dem Oratorium „L`Enfance du Christ“ von Hector Berlioz, das um 1850 entstanden ist Das Werk ist eine Trilogie, dem „Traum des Herodes“ folgt die „Flucht nach Ägypten“ und die „Ankunft in Sais“. Das Orchester spielte nach der Ouvertüre des zweiten Teils den nächtlichen Marsch einer römischen Patrouille aus dem ersten. Berlioz war ein Meister darin, mit Klängen und Melodien Bilder vor den inneren Auge des Zuhörers entstehen zu lassen, er erfand quasi die Programm-Musik. Die sehr zarte, innige Ouvertüre schildert wie ein Weihnachtsbild den Stall von Bethlehem mit dem Kind in der Krippe und den Hirten davor. Der nächtliche Marsch der Soldaten beginnt und endet mit dumpfen Tritten, vom Orchester umgesetzt mit den tiefen Streich-Instrumenten, dazwischen wird es lebhaft, die Patrouille hat es eilig. In scharfem Kontrast dazu stand das Gloria von Karl Jenkins für Chor und Orchester, das erst 2010 entstanden ist. Es ist nicht Teil einer Messe, sondern steht für sich alleine als fünfteiliges Werk mit einer Dauer von etwa 30 Minuten. Das „Gloria in excelsis Deo“ zu Beginn ist wahrhaftig ein Gesang von Erzengeln, eine Verkündigung an die ganze Welt mit buchstäblich Pauken und Trompeten, kein süßer Engelsgesang an der Weihnachtskrippe. Die Percussion-Abteilung war dreifach besetzt, die Blechbläser dominierten, dazwischen hatte sich der Chor durchzusetzen, eine riesige Herausforderung nicht nur an die Stimmgewalt. Der zweite Teil, „The Prayer“, war im Kontrast dazu leise, langsam und innig, am Ende breiter werdend. Als dritten Teil hat Jenkins eine Vertonung des Psalms 150, einen großer Lobpreis Gottes, eingeschoben, gesungen in Hebräisch mit einem scharfen, schnellen Rhythmus und ausgeprägter Lautstärke. Wieder ein Kontrast war der nächste Teil, ein englischsprachiges Sopransolo „I`ll make music“, ganz zart und eingängig, gesungen von der 17-jährigen Franziska Braunstein. Der abschließende Jubelgesang, in Teilen fast tänzerisch, greift mit den Blechbläsermotiven wieder auf den Anfang zurück. Den zweiten Teil des Konzerts begann wieder das Orchester mit zwei Auszügen des Weihnachtsoratoriums von Franz Liszt, entstanden zwischen 1862 und 1866. Es ist der erste Teil seines Oratoriums „Christus“. Das Orchester spielte die „Pastorale“, die das heitere Fest der Hirten vor dem neugeborenen Jesus beschreibt, und danach den Marsch der Heiligen Drei Könige zur Krippe, ein prächtiger, bunter Zug, der in die Anbetung mündet. Im Kontrast dazu stand das zweite Gloria, entstanden 1974, des Engländers John Rutter, einem der gefragtesten Gegenwartskomponisten für Kirchenmusik. Auch dieses Gloria für Chor und Orchester steht für sich alleine, ist nicht Teil einer Messe, für die es mit einer Viertelstunde Dauer auch zu lang wäre. Rutter benutzt als Basis den lateinischen Text und unterteilt ihn in drei Sätze. Auch hier verkünden „Pauken und Trompeten“, die Percussion dreifach verstärkt und der volle Bläsersatz, den Lobpreis Gottes über den Erdkreis, der Chor darin eingegliedert. Der mittlere Satz ist ruhig, Flöten, Streicher und Harfe bestimmen abwechselnd mit dem Chor den Charakter. Der dritte Teil schlug eine Brücke zum ersten Satz, steigerte sich jedoch immer mehr in Lautstärke und Spannung bis zum wiederholten „Amen“ wie ein riesiges Ausrufezeichen am Ende. Die hörbar enormen Anforderungen, die dieses ambitionierte Programm an die Ausführenden stellte, besonders jedoch an den Chor, belohnte das Publikum im gut besetzten Saalbau mit ausgiebigem Beifall.

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