Neustadt Der König jubelt, schreit und weint

Eine aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammende Partitur des 1736 in London uraufgeführten „Alexanderfestes“ ist das ä
Eine aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammende Partitur des 1736 in London uraufgeführten »Alexanderfestes« ist das älteste Dokument im Archiv der »Liedertafel«. Kein Wunder, dass der Chor unter der Leitung seines Dirigenten Hans Jochen Braunstein jetzt mit besonderem Elan an die Aufführung geht.

«Neustadt». Händels Oratorium „Das Alexanderfest“ wird heutzutage nicht mehr allzu häufig aufgeführt, obgleich es im 18. und 19 Jahrhundert zu den populärsten Chorwerken zählte: Am kommenden Sonntag aber präsentiert der Philharmonische Chor Liedertafel Neustadt unter Leitung von Hans Jochen Braunstein das Stück, zu dem er eine ganz besondere Beziehung hat, im Saalbau. Die Orchesterbegleitung übernimmt wie immer die Kammerphilharmonie Weinheim. Als Solisten agieren Eva-Maria Hofheinz (Sopran), Martin Steffan (Tenor) und Michael Roman (Bass).

Den Impuls für die Aufführung gab das Archiv der Liedertafel (die Rheinpfalz berichtete). Dort nämlich lagert eine aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammende gedruckte Partitur des 1736 in London uraufgeführten „Alexanderfestes“ in der orchestrierten Fassung von Mozart (1789), auch bekannt unter dem Untertitel „The power of music“. Sie stellt das älteste Exemplar aus dem Notenbestand der Liedertafel dar und befindet sich in einem geradezu jungfräulichen Zustand: Keinerlei Gebrauchsspuren, wie etwa Bleistifteintragungen des Dirigenten, verweisen auf frühere Aufführungen. Ein weiterer Bezugspunkt, der das Interesse am „Alexanderfest“ bei der Liedertafel weckte, hängt mit dem beruflichen Werdegang ihres Dirigenten zusammen: Braunstein beteiligte sich 1999 an einem Dirigierkurs, der in Halle durch die Händel-Gesellschaft unter der Leitung des renommierten englischen Dirigenten Paul Goodwin durchgeführt wurde und mit einem Wettbewerb abschloss. Als zu dirigierendes Werk war „Das Alexanderfest“ vorgegeben. Braunstein gewann einen ersten Preis. Seit dieser Zeit trug er sich mit dem Gedanken, dieses Werk mit einem seiner Chöre aufzuführen. Begünstigt wurde die Entscheidung auch durch die Tatsache, dass vom Bärenreiter-Verlag ganz aktuell wieder das Notenmaterial der Mozartbearbeitung herausgegeben wird, und auch durch die positive Resonanz auf die Berliner Aufführung durch einen Chor mit der bekannten Schriftstellerin Gabriele Weingartner, Kusine der ehemaligen Chorsprecherin Brigitta Utech. Die erst nach Mozarts Tod im Jahre 1793 uraufgeführte orchestrierte Version hat sich bis zum heutigen Tag als Standardfassung durchgesetzt. Das Libretto geht auf die 1697 veröffentlichte siebenstrophige Dichtung „Alexanders’s Feast“ von John Dryden zurück. Als eigentlicher Librettist wird Newburgh Hamilton genannt, der die Dichtung in Rezitative, Arien und Chöre einteilte und einige weitere Verse hinzufügte. Die Liedertafel verwendet die Übersetzung von Karl Wilhelm Ramler von 1766. Das „Alexanderfest“ spielt in der Antike, zur Zeit des mazedonischen Herrschers Alexander des Großen, der nach seinem Siegeszug über die Perser ein rauschendes Fest feiert. Anwesend ist auch der berühmte Sänger Timotheus, der beweisen möchte, dass er allein durch seine Musik den kriegerischen König in jede beliebige Stimmung versetzen kann. In sieben Episoden demonstriert er die unvergleichliche Kraft der Musik, der auch ein so hochgerühmter Herrscher wie Alexander erliegt. Der König jubelt, schreit und weint – ganz so wie der Sänger es will – und bietet Händel so eine Steilvorlage, seine kompositorischen Künste unter Beweis zu stellen. Wie Händels ungleich berühmteres Oratorium „Messias“, an das das „Alexanderfest“ in fast jedem Takt erinnert, wurde das Werk von Anfang an umjubelt. Die erfolgreiche Uraufführung fand 1736 im Covent Garden Theatre vor 1.300 Zuhörern statt. Weitere Aufführungen folgten noch im gleichen Jahr. Mozarts Version wurde 1812 in Wien unter dem Titel „Timotheus oder die Gewalt der Musi“ bei einem als „Monstre-Konzert“ bezeichneten Ereignis mit rund 600 Mitwirkenden aufgeführt, ein Zeichen für die ungebrochene Beliebtheit des Werks zu dieser Zeit. Händels „Alexanderfest“ changiert zwischen Oper und Oratorium. Im Mittelpunkt der Arien und Rezitative steht der Gesang von Timotheus. Als „nicht außergewöhnlich schwierig“ bezeichnen die Mitglieder der Liedertafel die Einstudierung der Chorpartien. Einiges Kopfzerbrechen bereitete lediglich die altertümliche Sprache und das antiquiert wirkende Vokabular des Librettos von Ramler. Unter anderem entpuppten sich die inflationär verwendeten „Heil“-Rufe als etwas nervig. Diese änderte Braunstein deshalb teilweise in „Dank“ ab. Neben dem Chor und der Kammerphilharmonie Weinheim kommt ein hochkarätiges Solistenensemble zum Einsatz. Den Sopranpart übernimmt die in Karlsruhe geborene und an der Musikhochschule Mannheim ausgebildete Sängerin Eva-Maria Hofheinz. Nach festen Verträgen an deutschen Opern, begleitet von zahlreichen internationalen Auftritten, ist sie seit 2005 als freischaffende Künstlerin eine gefragte Interpretin im Opern- und Konzertbereich. Mit von der Partie ist außerdem der in Gießen geborene Bariton Michael Roman. Sein besonderes Interesse gilt dem deutschen romantischen Liedgesang. So konzertierte er unter anderem mit Schuberts „Winterreise“ in der Kilbourn Hall der Eastman School of Music in Rochester/New York. Aus Birkenau im Odenwald stammt der Tenor Martin Steffan, dessen Schwerpunkt der Alten Musik gilt und der als gern gesehener Gast bei bedeutenden Festivals in Erscheinung tritt, aber auch immer häufiger als Mozart-, Haydn- und Mendelssohn-Interpret verpflichtet wird. Termin Die „Liedertafel“ singt das „Alexanderfest“ am Sonntag, 23. Dezember, um 19 Uhr im Neustadter Saalbau. Karten (20/17/5 Euro) in der Buchhandlung Quodlibet, der Neustadter Bücherstube, unter 06321/8802731 oder www.liedertafel.com.

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