Neustadt Das Dilemma der Rechtsprechung

«Neustadt». Belletristik in ihren unterschiedlichsten Ausformungen dominiert im März die Bestsellerlisten der fünf Buchhandlungen.

Bernhard Schlinks Roman „Olga“, eine Lebens- und Liebesgeschichte im 20. Jahrhundert, war in drei Läden der Hit, gefolgt von Mariana Lekys Familienroman „Was man von hier aus sehen kann“, der zweimal auf den Listen erscheint, auf denen diesmal Kriminalromane einen Schwerpunkt bilden. Zwei Bücher pfälzischer Autoren fanden ebenfalls viel Resonanz, so Armin Jungs Lyrikband „Mit meinen Worten“ nach einer Lesung bei „Quodlibet“. Preisgekrönte Werke der Leipziger Buchmesse, wie etwa Esther Kinskys Roman „Hain“ sind allerdings ebenso wenig zu entdecken wie Maja Lundes neuer Zukunftsroman „Die Geschichte des Wassers“. Hervorgehoben sei hier Ferdinand von Schirachs neuer Erzählungsband „Strafe“, Topseller bei „Hofmann“. In zwölf Kurzgeschichten zeichnet der Autor und Jurist das Schicksal von zwölf zurecht oder zu Unrecht verurteilten Straftätern nach und stellt die Frage nach Wahrheit und Wirklichkeit und nach der Entstehung der Persönlichkeit. Dabei vermittelt er die Erkenntnis, wie schwer es sei, einem Menschen gerecht zu werden oder über „gut“ oder „böse“ zu entscheiden. Nach den Erzählungsbänden „Verbrechen“ und „Schuld“ hat sein neues Buch noch an Intensität gewonnen. Der Autor nimmt den Leser mit zu Verhandlungen in den Gerichtssaal und lässt ihn Zeugenvernehmungen miterleben. Dabei widmet er sich dem Dilemma der Rechtsprechung, wobei er die Aufgabe des Verteidigers als eine höchst zwiespältige Pflicht einschätzt, da dieser das Mitgefühl für die Opfer des Mandanten ebenso wie eigene Moralvorstellungen hinter sich lassen müsse. Gefragt seien Distanz und Empathie gleichermaßen, und genauso hat von Schirach seine Erzählungen geschrieben: distanziert und empathisch. Ferdinand von Schirach, 1964 in München als Sohn des Kaufmanns Robert von Schirach und Enkel des NS-Reichsjugendführers Baldur von Schirach geboren, ist seit 1994 Anwalt in Berlin. Der Strafverteidiger und „Prominenten-Anwalt“ veröffentlichte 2009 den ersten Erzählungsband „Verbrechen“ mit Kurzgeschichten, die auf Fällen aus seiner Kanzlei basieren. Es folgten 2010 der Erzählungsband „Schuld“ und die Romane „Der Fall Collini“ und „Tabu“ sowie die Essaybände „Die Würde ist antastbar“ und „Die Herzlichkeit der Vernunft,“ Gespräche mit Alexander Kluge über Sokrates, Voltaire und Kleist. Von Schirach erhielt zahlreiche Preise, darunter den Kleist-Preis und die „Rose d’Or“ für sein Theaterstück „Terror“. Erstaunliche Einblicke in die Männerwelt vermittelt der 1974 in Montreal geborene und in London lebende britische Autor David Szalay in dem Roman „Was ein Mann ist“. „Ich bin nicht mehr jung, aber wann ist das passiert?“, fragt sich James, einer der neun Protagonisten, nach einem missglückten Flirt. Diese Männer zwischen 17 und 70 Jahren begleitet der Autor auf Reisen und in unterschiedlichen Lebensphasen. In Lebenskrisen müssen sie sich beweisen. Gnadenlos, mitfühlend, ironisch schildert Szalay die Befindlichkeiten der Männer, ihren Frust nach verpassten Chancen, ihre Sehnsucht und Melancholie.

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