Neustadt „Bundesliga war kein Freizeitvergnügen“

Niederkirchen. Die Frauen-Fußball-Bundesliga ist in ihrer 25. Saison. Zu Beginn war die Liga zweigeteilt und es gab ein Endspiel um die Meisterschaft. 1992/93, es war die dritte Runde, hieß der Titelträger TuS Niederkirchen. Zum 25-jährigen Bestehen der Liga spricht der damalige Vorsitzende des TuS und heutige Ehrenvorsitzende, Franz Schalk (63), über die Anfangsjahre und den Frauenfußball von heute.

Herr Schalk, können Sie sich noch an die Anfänge erinnern?

Ja, natürlich. Das war eine ganz andere Zeit. Alles war brav und bieder. Der Frauenfußball ist belächelt oder zumindest nicht ernst genommen worden. Die Umstände waren manchmal kurios. So haben wir uns in Ahrbach mal in einer Leichenhalle umgezogen. Und wie war es in Niederkirchen? Bei uns war immer etwas los. Der TuS war Gründungsmitglied der Bundesliga, hat sich im Entscheidungsspiel um den Einzug in die neue Klasse gegen Wörrstadt durchgesetzt. Wir waren anfangs in der damals zweigleisigen Klasse immer in der Spitzengruppe zu finden. Da kamen zu den Heimspiel oft 500 oder mehr Zuschauer. Insgesamt war es eine super Zeit, in die wir alle viel investiert haben. War die Einführung der Bundesliga ein logischer Schritt? Ja, absolut. Die Qualität wurde gesteigert und schon damals ist in der Bundesliga ein guter, technisch geprägter Fußball gespielt worden. Davon hat auch die Nationalmannschaft profitiert. Mit den Jahren ist auch die Athletik immer besser geworden. Niederkirchen war in den Anfangsjahren deutscher Meister. Was war das Geheimnis? Da muss ich etwas weiter ausholen: Der Vater des Frauenfußballs in Niederkirchen war eigentlich Betreuer Dieter Semmler. Er war ein ganz entscheidender Mann und die Mutter der Kompanie. Und sportlich? Wir hatten eine starke Mannschaft. Dazu kam Heidi Mohr als Topverstärkung. Sie hat Tore am Fließband geschossen. Heidi wohnte in Weinheim und hatte keinen Führerschein. Da haben wir Claudia Obermeier quasi als Fahrerin mitverpflichtet und zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Die ehrgeizige Claudia hat Heidi zum Training mitgebracht und selbst als Vorstopperin prima eingeschlagen. Der Zusammenhalt war groß, taktisch und technisch war die Mannschaft von Trainer Edgar Hoffmann stark. Im Endspiel haben wir den favorisierten TSV Siegen mit Spielerinnen wie Silke Rottenberg, Silvia Neid und Doris Fitschen 2:1 besiegt. Das war ein Traum. Sie haben damals im Asyl in Limburgerhof gespielt. Ein Nachteil? Überhaupt nicht. Wir sind dort sehr gut aufgenommen worden. Der TuS hatte damals noch einen Hartplatz, der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat einen Naturrasen vorgeschrieben. Da war Limburgerhof eine gute Wahl. Wie war der Zuschauerzuspruch? Sehr gut. Wir hatten eine großes Einzugsgebiet, und die Leute waren neugierig. Im Endspiel gegen Siegen 1993 kamen 5000 Zuschauer. Diese Zahl muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Wie haben Sie die Saison damals finanziert? Über Zuschauer, Werbepartner, Trikotwerbung und Sponsoren. Dazu kam ein Zuschuss vom DFB. Viel verdient wurde aber nicht. Die Spielerinnen haben Fahrgeld bekommen, Handgeld wurde kaum gezahlt. Was hat sich für Sie als Vorsitzender mit Einführung der Bundesliga geändert? DFB-Auflagen, Medienarbeit – das alles war für mich vollkommenes Neuland. Sie können mir glauben, das war kein Freizeitvergnügen, sondern harte Arbeit. Wurde das Trainingspensum erhöht? Bei uns wurde dreimal wöchentlich trainiert. Alle Spielerinnen haben gearbeitet. Warum war der TuS nicht in der Bundesliga zu halten? Wir sind 2000 abgestiegen und haben zwei Jahre später noch mal den Sprung zurück geschafft. Die Abgänge haben wir nicht mehr kompensieren können. Wenn man spät den Ligaverbleib schafft, dann ist der Markt meist leergefegt. Je mehr das Geld eine Rolle gespielt hat, desto geringer wurden unsere Chancen. Wir haben Jahr für Jahr gekämpft – um den sportlichen Erfolg und die Finanzen. Haben Sie Fehler gemacht? (lacht) Wer macht keine? Mein größter war, dass wir 2000 vier Nigerianerinnen geholt haben. Da mussten Bürgschaften hinterlegt werden, um die Freigabe zu bekommen. Das war nicht durchdacht. Sportlich war es auch ein Flop. Gleich zu Beginn waren zwei von ihnen wegen Roter Karten lange gesperrt. Ist die Bundesliga heute für Niederkirchen vorstellbar? Das ist heute mehr denn je eine Frage der wirtschaftlichen Möglichkeiten. Ausschließen möchte ich das nicht, aber es wird sehr schwer. Wenn es klappt, dann nicht mehr mit dem TuS, sondern mit dem FFC. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung? Mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Schade, dass es den Traditionsverein TuS im Frauenfußball nicht mehr gibt. Aber auf der anderen Seite: Der FFC hat diesen Sport auf hohem Niveau im Ort gehalten. Mit dem TuS wäre es nicht mehr gegangen. Wie sehen Sie die Bundesliga heute? Sie hat eine tolle Entwicklung genommen. Die Spiele sind sehenswert, das Niveau ist erstklassig. Die Liga ist eine Erfolgsgeschichte. Wie oft denken Sie an diese große Zeit des TuS zurück? Je älter ich werde, desto weniger. 2013, also 20 Jahre nach dem Titel, wollte ich die Meistermannschaft zusammenholen. Das hat aber nicht geklappt, was ich sehr bedauere. Es war ein zeitliches Problem. 2018, wenn sich die Meisterschaft zum 25. Mal jährt, will ich es noch einmal versuchen. Natürlich nicht um ein Spiel auszutragen, sondern der Geselligkeit wegen. Gehen Sie noch zum Frauenfußball? Nicht mehr regelmäßig. Aber wenn ich da bin, dann fiebere ich mit der Niederkirchener Mannschaft mit.

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