Neustadt Blinde Hühner und andere komische Figuren

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Neustadt. Das Auge hat seine liebe Not im Mußbacher Herrenhof. An jedem Stand locken Objekte, die näher betrachtet werden wollen. „Design und Gestaltung“ ist die Ausstellung betitelt, Bernd Roeter von der Galerie Forum, Ockenheim, hat den Kunsthandwerkermarkt zusammen mit der Handwerkskammer der Pfalz organisiert. Ohne konkrete Besucherzahlen nennen zu können, zeigt sich Roeter gestern Nachmittag mehr als zufrieden. Es seien an beiden Tagen mehr Interessierte dagewesen als im vergangenen Jahr.

Am frühen Samstagnachmittag ist es sonnig und warm. „Das Wetter ist ideal“, meint Roeter da. Froh zeigt er sich, dass nahezu alle gebuchten Kunsthandwerker nach Mußbach gekommen sind. Von wenigen Krankheitsfällen abgesehen. „Wir haben uns bemüht, schon beim Aufbau Abwechslung in die Stände zu bringen.“ Das sei gut für die Teilnehmer und für die Besucher. Dass so mancher Schmuckdesigner in der Nachbarschaft eines anderen stehe, lasse sich nicht vermeiden, bilde doch das Metier einfach eine zu starke Gruppe. Insbesondere die Damen lockt es genau zu den edlen Kunstwerken aus verschiedenen Metallen, aus Holz, Stein und Stoff. Ein Ehepaar nähert sich dem Stand von Simone Fleischer. „Ich muss unbedingt noch eine Lesemaus mitnehmen“, meint die Frau. Am Ende wandern zwei in ihre Tasche, „denn es stimmt, Weihnachten ist gar nicht mehr soweit“, gibt die Kundin der Künstlerin Recht. Aus Stoffen, die ihr teilweise geschenkt werden, zaubert Fleischer die possierlichen Tierchen – dank ihrer langen Schwänze ideale Lesezeichen. Aus größeren Stücken entstehen andere lustige Fantasiegeschöpfe, darunter die „Kraft-Stoff-Tiere“. Jeder, der eines dieser Objekte erwirbt, erhält auch eine Anleitung. Denn nach der nordischen Mythologie sagt die Wahl viel über den Menschen aus. „Blinde Hühner“ gefallen als Brillenaufbewahrer. Und auch der Schweinehund, „der durchaus seine Berechtigung hat“, darf nicht fehlen. Aus den Resten der verarbeiteten Stoffe entstehen wunderbare Decken oder Wandbehänge. „Jedes Fitzelchen findet bei mir noch einen Platz“, erzählt die gelernte Bekleidungstechnikerin aus Weinheim. Stundenlang lässt sie die Nadel ihrer Nähmaschine über die Stoffflächen flitzen; so ist eine Echse im Meer entstanden. „Die Motive fallen mir ganz spontan ein, nichts wird kopiert“, betont Fleischer, die ihre Arbeit mit „Textile-Recycling-Kunst“ überschrieben hat. Am Ende des Raums zeichnet Peter Hilzensauer. „Von der RHEINPFALZ sind Sie?“, fragt er. Nach einem Nicken des Gegenübers wirft er ein paar Striche auf ein Blatt und schon ist ein Zeitungsleser erkennbar. Mit einem Pinsel und Wasserfarben bringt er noch etwas Farbe ins Bild – fertig. Eine ganze Menge solcher Zeichnungen hat der Homburger dabei, andere hat er im Laufe der Ausstellung geschaffen. Sie zeigen meist komische Figuren, die einen flotten Spruch auf den Lippen haben. Ein Dozent oder vielleicht ein Politiker sagt da: „Meine Meinung steht fest. Bitte verwirren Sie mich nicht mit Tatsachen.“ In verschiedenen Kursen hat der gelernte Arzt seine Zeichner-Kenntnisse erworben. „So einfach wie es aussieht, ist es eben doch nicht“, sagt er lachend. Er zeichne jeden Tag, „weil es mir Spaß macht“. Auf Märkten wie diesem stelle er seine Bilder aus, erzählt er. Und vergisst nicht zu erwähnen, dass seine „Darmspiegelungen“ – eine nackte Frau hält sich dabei einen Handspiegel an den Allerwertesten – in einigen Wartezimmern von Kollegen hängen. Draußen erklingen Flöten- oder Klarinettenklänge. Es handelt sich jedoch um ein Chalumeau, dem Vorgänger der Klarinette, wie Petra Neuenschwander erklärt. Mit ihrem Mann Res, der sie auch spielt, stellt sie in ihrer Werkstatt in Bad Camberg diese Instrumente her – aus verschiedenen Hölzern. Ja, vor allem in Spielmannszügen oder in Musikschulen werde das Chalumeau verwendet, berichtet Neuenschwander. Dass nur wenige Besucher es kennen dürften, räumt sie ein. „Aber genau deshalb sind wir ja hier, wir wollen für das Blasinstrument werben.“ Schräg gegenüber fallen die Steinskulpturen von Lilau alias Markus Bäcker ins Auge. Grimmig sind die Gesichter seiner Figuren. „Das macht ihren Reiz aus“, sagt der Künstler aus Gries. „Denn es animiert die Leute zum Lachen.“ Am liebsten arbeite er mit dem gelben Kalkstein, den er aus Metz beziehe. Der „Sonnenstein“ funkle wunderbar. Auf dem Rasen stehen außerdem Objekte, die häufig mehrere kreisrunde Löcher aufweisen. Mit einer Maschine bohre er den Stein an, aber „ansonsten ist alles handgeschliffen“, unterstreicht der Künstler, der sich die Bildhauerei selbst beigebracht hat. Zu sehen sein werden seine Kunstwerke demnächst am Ohmbachsee bei Schönenberg-Kübelberg in der Westpfalz. Dort wird ein Skulpturenweg geplant – mit Werken aus Lilaus Atelier. Nicht der grobe Stein, sondern das zarte Porzellan hat es Annett und Christian Franke angetan. In Sangerhausen, Sachsen-Anhalt, haben die zwei ihre Werkstatt. Während ihr Mann eher für Gebrauchsgegenstände zuständig sei, konzentriere sie sich auf Skulpturen, sagt Annett Franke und zeigt auf Krippenfiguren aus ihrer Hand. Studiert haben die Frankes Glas-, Keramik- und Porzellandesign in Halle/Saale. Ihr Mann habe außerdem eine Ausbildung in Meißen, dem Mekka des Porzellans, absolviert.

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