Forst Am Sonntag Hansel-Fingerhut-Spiel

Mit rußgeschwärztem Gesicht und buntem Flickenkleid: der Hansel Fingerhut.
Mit rußgeschwärztem Gesicht und buntem Flickenkleid: der Hansel Fingerhut.

Am Sonntag, 10. März, treibt der Hansel Fingerhut in Forst wieder seinen Schabernack. Das historische Spiel verkörpert den Kampf des Sommers gegen den Winter. Um 14 Uhr beginnt das Spektakel am nördlichen Ortseingang, das bis gegen 15.30 Uhr an mehreren Stellen entlang der Dorfstraße aufgeführt wird.

Seit über 300 Jahren ist das Hansel-Fingerhut-Spiel als Sommertagsbrauch in Forst nachweisbar. Die Tradition reicht aber wohl noch viel länger zurück. Alljährlich am Sonntag Lätare – also drei Wochen vor Ostern – wird das Spiel aufgeführt. Sechs Hauptdarsteller verwandeln die Dorfstraße dabei in eine lange Open-Air-Bühne. Zunächst findet ein Kampf zwischen dem Winter (Daniel Hack-Hayes) und dem Sommer (Johannes Eichberger) statt. Der eine sitzt in einem Sommerhäuschen aus Efeu, der andere in einem Winterhäuschen aus Stroh. Natürlich geht der Sommer als Sieger aus dem Zweikampf hervor, und bei der letzten Aufführung wird das Winterhäuschen verbrannt. Als Richter fungiert der Henrich-Fähnrich (Thomas Keller), der wie ein Landsknecht mit Federhut, Säbel und Geldbüchse kostümiert ist.

Ein ungewaschener Vagabund

Die Hauptfigur des Spiels aber ist der Hansel Fingerhut. In diesem Jahr schlüpft Leon Hayes in diese Rolle. Sein Flickenkleid besteht aus bunten Lappen und Spielkarten: Es ist das Kleid eines Narren, ursprünglich überliefert aus der Schweiz. Sein Gesicht ist rußgeschwärzt, was allerdings überhaupt nichts mit dunkler Hautfarbe zu tun hat. Vielmehr verkörpert der Hansel Fingerhut einen ungewaschenen Vagabunden, der außerhalb des Dorfes in den Sumpfwiesen lebt. Er ist stets zu Streichen aufgelegt und stellt insbesondere jungen Frauen nach, um ihnen einen rußigen Kuss auf die Wange zu drücken.

Eine weitere Figur ist der Scherer (Christian Lörch). Das ist ein Barbier mit einem übergroßen hölzernen Rasiermesser, der den Hansel Fingerhut mit einer Rasur und einem Aderlass kultivieren will. Die Figur der Nudelgret (Jochen Litzenburger) soll ihren Ursprung in der Schweiz haben. Sie stärkt den wieder ins Leben zurückgekehrten Hansel Fingerhut, der nach dem Aderlass in Ohnmacht gefallen ist, mit einer frischen Brezel.

Seit 2016 immaterielles Weltkulturerbe

Zum Abschluss wird der Winter in Form eines Strohhäuschens angezündet und verbrannt. Dies ist das äußere Zeichen dafür, dass der Winter vertrieben ist. Nach der letzten Aufführung werden die schönsten Sommertagsstecken prämiert. Auf dem Festplatz können sich die Besucher an Getränke- und Essensständen stärken. Für die Kinder wird ein Karussell aufgebaut. Kaffee und Kuchen gibt es in der Felix-Christoph-Traberger-Halle.

Eine weitere Forster Tradition fällt mit dem Spiel zusammen: Der Kammergerichtsleser Felix-Christoph Traberger hat im Jahre 1600 mit einer Spende dafür gesorgt, dass die Forster Kinder am Sonntag Lätare etwas zu essen bekommen. Auch heute noch gibt es für alle Kinder einen „Spitzweck“ aus Hefeteig.

Das Hansel-Fingerhut-Spiel, organisiert vom Forster Brauchtumsverein, gehört seit Ende 2016 zum Immateriellen Weltkulturerbe der Unesco. Das Expertenteam Immaterielles Kulturerbe würdigt das Spiel als „generationsübergreifende und dynamische kulturelle Praxis, die eine hohe identitätsstiftende Wirkung und vielfältige Funktionen hat“. Hervorgehoben wird, wie die Forster Bürger in das Spiel einbezogen sind. Und weiter: „Die Kontinuität des Brauches erscheint durch das Engagement des Vereins sowie die stetige Anpassung an den gesellschaftlichen Wandel gewährleistet.“

Die Bedeutung des Spiels für den Ort symbolisiert auch der Hansel-Fingerhut-Brunnen am südlichen Ortseingang an der alten Waage, der mit Bronzefiguren des Künstlers Franz Lechinger geschmückt ist.

Wissenschaftler analysieren das Spiel

Mit dem Spiel beschäftigen sich auch die 9. Deidesheimer Gespräche zur Sprach- und Kulturgeschichte, die vom 8. bis 10. März stattfinden. Sprachwissenschaftler befassen sich dabei mit dem Thema „Volksfeste und Bräuche in Geschichte und Gegenwart“. Zum Auftakt der Tagung wird am Freitag, 8. März, 19 Uhr, im Museum für Weinkultur im Historischen Museum in Deidesheim der Film „Schwarze Küsse, Weißweinschorle“ über das Hansel-Fingerhut-Spiel gezeigt. Der Eintritt ist frei. Auch für Kenner des Spiels hält der Film von Thomas Schneider und Mirko Uhlig von der Universität Mainz noch den einen oder anderen neuen Aspekt bereit, heißt es in der Einladung. Beide Wissenschaftler sind auch bei der Vorstellung anwesend und freuen sich auf rege Diskussionen.

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