Neustadt Am Sessel klebt er nicht

Bombenstimmung eins ...: Georg Krist und Oberbürgermeister Hans Georg Löffler 2014 bei der Entschärfung auf dem Ibag-Gelände.
Bombenstimmung eins ...: Georg Krist und Oberbürgermeister Hans Georg Löffler 2014 bei der Entschärfung auf dem Ibag-Gelände.

16 Jahre lang war der Freie Wähler Georg Krist hauptamtlicher Beigeordneter der Stadt Neustadt. Heute hat der 56-Jährige seinen letzten Arbeitstag. Als Rechtsanwalt – Schwerpunkt Verwaltungsrecht – bleibt er aber präsent: mit einer Kanzlei in der Hintergasse.

„Ein harter Hund“ – dieser Ruf verfolgte Georg Krist vor allem in den ersten Jahren seiner Amtszeit. Vor seinem Dienstantritt in Neustadt war der gebürtige Hesse Polizist und Verwaltungsrichter – Recht und Ordnung lagen ihm damit per se am Herzen. Sein Motto: Rechtsstaatliche Prinzipien müssen eingehalten werden, damit die Menschen gut leben können. Doch sorgte Krist dafür, dass Neustadt – je nach Sicht positiv oder negativ – in die Schlagzeilen geriet und sogar dem SPD-geführten Innenministerium in Mainz ab und an der Schaum vorm Mund stand. Videoüberwachung, drastisches Vorgehen gegen Schwarzarbeit und illegale Bauten im Außenbereich oder gegen das „Rucksack-Saufen“ waren Schlagworte. Das meiste davon ist heute normal, vielerorts hat man sich sogar ein Beispiel an Neustadt genommen. Dass ihn sein Ruf nie gestört hat, wie manche vermuten, stimmt aber nicht. „Die Kampagne gegen meine Person hat mich schon belastet, alles andere wäre doch verwunderlich“, sagt Krist im Rückblick. Sein Rezept: noch mehr zu arbeiten, um die Bürger mit Erfolgen zu überzeugen. Damit habe es auch geklappt, meint er, weiß aber auch, das nicht im Alleingang geschafft zu haben. Dass sich sein Image geändert hat, sei vor allem der Kollegialität innerhalb seines Dezernats, der Anerkennung durch die Bürger und dem Schulterschluss innerhalb der Freien Wählergruppe zu verdanken. „Gute Leistungen sind immer das Ergebnis von Teamarbeit, vom guten Zusammenspiel zwischen Mitarbeitern und Vorgesetztem“ – davon ist der Wahl-Hambacher überzeugt. Hat er sich damit auch selbst verändert? So genau kann Krist das nicht sagen, doch glaubt er es schon: „Angesichts meines damaligen Images war ich offen für Veränderung.“ Wobei Veränderung hieß, seinen Themen, seiner Rechts- und seiner Arbeitsauffassung zwar treu zu bleiben, das, was ihn antrieb und antreibt, aber besser zu vermitteln. Erleichtert wurde das durch Erfolge, die der Ordnungsdezernent Krist durchaus vorweisen kann. Jüngstes Beispiel: Als er ankündigte, die Identität der Flüchtlinge in Neustadt nachzuprüfen, hagelte es erst Kritik. Im Nachhinein erwies es sich als positiv, gerade für die Betroffenen selbst, „auch das Ehrenamt gab positive Rückmeldungen“. Bestätigt fühlen dürfte sich Krist auch vom SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz. Dieser fordert, die Polizei von Alltagsdingen zu entlasten. Genau das aber ist eine Niederlage, die der Dezernent hinnehmen musste. Mit der Überwachung des fließenden Verkehrs durch die Stadt klappte es – bislang – nicht. An seiner Überzeugung hat das nicht gekratzt: Nur wenn die Polizei von Aufgaben befreit wird, die auch ein Ordnungsamt übernehmen kann, ist sie in der Lage, sich um die Sicherheit zu kümmern. Die angespannte Lage der Polizei ist für Krist auch ein gutes Beispiel für einen seiner politischen Grundsätze: Politik, egal auf welcher Ebene, sollte vorausschauend handeln und nicht immer nur hinterher hinken. Nicht alle Wünsche der Bürger konnten indes erfüllt werden. Um der immer größeren Rücksichtslosigkeit der Gesellschaft beizukommen, brauche es noch mehr Personal, sagt Krist. Was er nicht als Vorwurf an Stadtrat und Verwaltung verstanden wissen will, denen er dankbar für zwei weitere Stellen im Vollzugsdienst ist. Eine Situation wie aktuell im schmalen Durchgang am Ende des Ägyptenpfads, wo Jugendliche für Ärger sorgen, sei aber nicht tolerierbar. „Da muss man klare Kante, also Präsenz zeigen“, macht er den geplagten Anwohnern Hoffnung. „Rambo-Krist“, wie er früher auch verschrien war, kann allerdings auch liberal. Zum Beispiel bei Veranstaltungen für junge Leute. „Ein Sonnentanz auf der Welschterrasse – das muss auch mal sein, selbst wenn es dabei etwas laut zugehen sollte.“ Oder aber ein Hochzeitsfeuerwerk auf dem Hambacher Schloss. Georg Krist war nicht nur für Ordnung, Verkehr, Ausländerbehörde oder Volkshochschule zuständig, sondern auch lange für Umwelt sowie für die Tourist, Kongress und Saalbau (TKS) GmbH. Im Tourismus seien Neustadt und Neuwied heute die bestplatzierten Städte in Rheinland-Pfalz, ist er durchaus stolz – und verweist auf die Leistung der damaligen Geschäftsführerin Dagmar Loer und ihres Nachfolgers Martin Franck. Nach dem Bruch der CDU-/FWG-Koalition im Sommer 2014 musste Krist TKS und Umwelt abgeben. Aber nicht nur das: Mit dem Bruch war klar, dass die neue Mehrheit im Stadtrat ihn nicht für eine dritte Amtsperiode wählen wird. Als er von FWG-Chef Marc Weigel von dem Bruch erfuhr, saß Krist gerade im Auto. Ein Anlass zu bremsen, sei die Nachricht nicht gewesen. „Dann lassen wir das“, so seine lakonische Antwort, zumal man inhaltlich eh nicht mehr weitergekommen sei. Sich in der Politik abhängig zu machen, weil man an Posten klebt, sei nicht sein Ding, so Krist. Auch reut ihn jenes Interview nicht, in dem er Oberbürgermeister Löffler scharf kritisierte und ihm den Rücktritt nahe legte. Der einzige Vorwurf, den er sich „vielleicht macht“, ist, „zu lange gewartet zu haben“. Ob er künftig in seiner Freizeit den neuen Oberbürgermeister beraten wird? Zwar lehnt es Krist im Gespräch strikt ab, ein mögliches OB-Wahlergebnis vorwegzunehmen. Doch nutzt er die Chance, ein klein wenig von seinem durchaus vorhandenen Humor zu zeigen: „Fahrer wäre auch nicht schlecht ...“

Bombenstimmung zwei ...: Georg Krist gratuliert seiner eben gewählten Nachfolgerin Waltraud Blarr in der Stadtratssitzung Ende 2
Bombenstimmung zwei ...: Georg Krist gratuliert seiner eben gewählten Nachfolgerin Waltraud Blarr in der Stadtratssitzung Ende 2016.
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