Neustadt Alle in der Zwickmühle

Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (F.A.S.) ist für einen einigermaßen seriösen Journalismus bekannt. Im dortigen Wirtschaftsteil konnte man am vergangenen Wochenende einen Artikel über Spaßbäder und Wellnessthermen in Deutschland lesen. Unter der ebenso kurzen wie ulkigen Überschrift „Platsch“ hieß die Botschaft an alle Unternehmer dieser Branche: Klotzen, nicht kleckern. Auf diesem Sektor zählen demnach nur Superlative. Diejenigen, die diesen Grundsatz nicht befolgten, müssten schlichtweg feststellen, dass sich die Investition nicht rechne. Rund die Hälfte der Bäder decke mit seinen Einnahmen nicht einmal die laufenden Kosten, schätzt Klaus Batz, Geschäftsführer der Interessenvertretung europäische Freizeitbäder in der FAZ. Zudem sieht er ein Problem: „Es gibt nur ganz wenige weiße Flecken in Deutschland, an denen man noch neue Bäder bauen könnte.“ Freizeitforscher Ulrich Reinhardt, Professor bei der Stiftung für Zukunftsfragen BAT in Hamburg, sieht aber dennoch weiterhin Bedarf an großen Wellness-Thermen. „Wer sich den Urlaub im Ausland nicht leisten kann, weicht auf solche Stätten aus“, sagte er zur RHEINPFALZ. Bäderkönig Josef Wund, der eine Therme in Sinsheim gerade erfolgreich erweitert, lässt sich mit den Worten „Höher, schneller, weiter“ zitieren. Er wolle immer die perfekte Illusion schaffen, eine „künstliche Südsee“. Wie der Dürkheimer Bürgermeister Wolfgang Lutz bestätigte, war Wund auch mal in Dürkheim zu Gast ... Dass ausgerechnet in der Kurstadt ein hervorragender Standort für ein solches Konzept ist, das zeigen nicht nur entsprechende Gutachten, sondern davon waren auch noch am 18. November 2013 das Land Rheinland-Pfalz, der Landkreis sowie die Stadt Bad Dürkheim und auch der österreichische Investor Heinz Schletterer überzeugt. Allein: Der wichtigste Gesprächspartner im Kampf um die Therme war am Abend zuvor zittrig in die Knie gegangen – nämlich die finanzierende Bank. Dieser Schritt traf den Aufsichtsrat der Staatsbad GmbH, die in Dürkheim für das Kurzentrum verantwortlich ist, hart und überraschend. Denn: Er bedeutete das abrupte Ende des europäischen Vergabeverfahrens für den Betrieb der Therme. Warum genau die Bank im letzten Moment abgesprungen war, dazu kann auch Staatsbad-Geschäftsführer Ulrich Bülow nur vage Andeutungen machen. Wahrscheinlich ist, dass Schletterers inhaltliches Konzept zu gewagt für den momentan existierenden Markt in Deutschland war. Mit einem finanziell aufwändigen Angebot an Präventivmedizin, wie es in dieser Dimension in der Republik in einer Therme bisher nicht vorhanden ist, wollte der in Österreich erfolgreiche Schletterer das 30-Millionen-Euro-Projekt zu einem Markenzeichen machen. Elf Millionen Euro davon sollten von der Landesregierung übernommen werden, um die Staatsbad GmbH zu privatisieren. Den Rest wollte Schletterer finanzieren. Wohl zu risikoreich für eine Bank. Letztlich könnte das Gebäude nur als Therme genutzt werden und nach einem eventuellen Misserfolg nicht einer anderen Nutzung zugeführt werden. Eine echte Zwickmühle. Zwickmühle ist auch das richtige Wort für die Situation der Staatsbad GmbH, ein Betrieb des Landes Rheinland-Pfalz, der hochdefizitär ist, wie Geschäftsführer Bülow bestätigt. Bisher belief sich das jährliche Minus auf rund eine Million Euro. Weil das Gebäude des Kurzentrums seit 1. Januar 2014 aber nicht mehr der Staatsbad GmbH gehört, sondern der benachbarten AHG-Klinik, steigt das Defizit in diesem Jahr auf bis zu 1,6 Millionen Euro, wie Bülow prognostiziert. Das Gleiche gilt für das kommende Jahr. Ende 2015 will das Land – Stand heute – den Betrieb der Staatsbad GmbH komplett einstellen. „Das ganze Paket war auf eine bis dahin abgeschlossene Privatisierung geschnürt“, sagt Bürgermeister Wolfgang Lutz. Doch was passiert dann mit den Beschäftigten im Kurzentrum? Bülow sagt: „Wir müssen uns zügig Alternativen überlegen.“ Nicht nur zwischen den Zeilen klingt durch, dass man sich gedanklich sukzessive von einer Therme verabschiedet. Gleichwohl stehe man mit Schletterer, der inzwischen nicht mehr mit deutschen, sondern internationalen Banken verhandelt, weiter in Kontakt. Grundsätzlich wäre eine Vergabe an ihn auch weiterhin möglich. Dies aber nur zu den bisherigen Konditionen. Lutz hatte zwischenzeitlich ans Land appelliert, die zugesagten elf Millionen Euro aufzustocken. Dies hätte aber eine erneute Ausschreibung des Projekts erforderlich gemacht. In der Zwickmühle sind nun nicht nur der Investor und das Land, sondern auch die Stadt. Lutz unterstrich seinen nach wie vor innigen Wunsch, eine Therme hier anzusiedeln und wäre auch bereit, einen Schritt auf Schletterer zuzugehen. Eine Überlegung sei etwa, das Areal im Abtsfronhof, direkt neben der Saline, nicht an ihn zu verkaufen, sondern in Erbbaurecht zu übereignen. Fraglich allerdings, ob dies wettbewerbsrechtlich im Rahmen des Vergabeverfahrens möglich wäre. Gleichzeitig sagt Lutz wie auch Bülow: „Wir müssen uns Gedanken über einen Plan B machen.“ Bisher allerdings hat keiner der Akteure auch nur einen Ansatz davon. Immer noch starrt das Kaninchen (Staatsbad GmbH) wie gebannt auf die Schlange (Schletterer) – allerdings in der Hoffnung, dass es geschluckt wird. Genau in diese Situation stößt am Dienstag im Riesenfass (19 Uhr) Finanzminister Kühl. Mal sehen, ob er ein riesen Fass aufmacht ...

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