Neustadt „Palatines“ im gelobten Land

„Fremde als Pfälzer – Pfälzer in der Fremde“: Bei der Veranstaltung der VHS konnten sich die Zuhörer über fundiertes geschichtliches Wissen ebenso freuen wie über zeitgenössische Dokumente, die die menschliche Seite der Ein- und Auswanderung beleuchteten.

Dass es keine dröge Geschichtsstunde war, ist dem Geschick und der Recherche von Gerd Becht, Autor und Erzähler von Pfälzer Gedichten und Geschichten, zu verdanken. Er ließ neben Fakten zeitgenössische Dokumente sprechen. Musikalisch begleitete Gaby Kießling mit der Konzertzither den Vortrag. Sie hatte unter anderem bekannte Stücke aus Amerika ausgewählt, dem für Pfälzer Auswanderer „gelobten Land“. Kießling begeisterte vor allem mit zwei gesungenen Liedern im „Pennsylvania Dutch“, dem pfälzisch geprägten Deutsch, das noch heute von Traditionsvereinen gepflegt wird, und brachte das Publikum mit „Wann je mei Aldi e Schnitzelbank wär“ und „Mädel, widdu heiere?“ zum Staunen und Schmunzeln. Die Musik ließ innehalten im Fluss von Informationen. Becht begann damit, „wie im 17. und 18. Jahrhundert aus Fremden Pfälzer wurden“. Da hatte der 30-jährige Krieg bis zu 80 Prozent der Bevölkerung ausgelöscht. Kurfürst Karl Ludwig holte daher 30.000 Siedler aus dem Süden in die Pfalz, darunter 4000 Mennoniten, die anderenorts als Ketzer verfolgt wurden. Im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688-1697) wurden in der Kurpfalz viele Städte „bis auf die Grundmauern zerstört“, einem Jahrhundertwinter fielen Getreide, Vieh und weitere Menschen zum Opfer. Wiederaufbau leisteten Handwerker und Bauern aus Frankreich, Belgien, England, der Schweiz und Tirol. Mit aus Frankreich geflüchteten Hugenotten kamen Weber und Tuchmacher ins Land. Es ging aufwärts, doch „erst 1700 war die Einwohnerzahl wieder auf dem Stand von 1618“, und die Pfälzer waren ein „Mischvolk“ geworden, „das nicht seinesgleichen in Deutschland hatte“. Natürlich gab es auch Vorurteile. Die Bayern, zu denen die Pfalz ab 1816 gehörte, beschrieben die Pfälzer als „wie die Tiere“, als „garstig gekleidet“, ihre Sprache als „widerwärtig“, sie galten von großer „Empfänglichkeit für den Genuss“, dank des Hambacher Fests auch als widerspenstig, mit einer „Neigung zum Rechthaben“. Doch auch die Pfälzer zog es als Glaubens- und Wirtschaftsflüchtlinge in die Ferne, häufig über England. Anfangs als „arbeitsam“ und „erfindungsreich“ gelobt, trachtete man bald, die „Palatines“ nach Schottland, Irland und Übersee zu schicken. In Amerika allerdings mussten sich die „Palatines“, bald schon Sammelname für das Gros der deutschen Auswanderer mit neuen Sitten und Unsitten herumschlagen. „Der Amerikaner ist anders geartet“, merkten sie, „bewundernswert“, aber „unangenehm“ sein „Geldstolz“. Die amerikanische Frau sei „verwöhnt“, „sucht ihre Zeit mit Nichtstun zu töten“, und es ist „himmelschreiend, wie mit Männern umgegangen wird“. Und: „Das Essen ist schlecht. Tomaten als Suppe.“ Die Amerikaner empfanden die „Palatines“ als „strebsam“, bemängelten aber deren Festhalten an Sprache und Sitten. Sie sahen sie als „untergeordnete Menschenklasse“ und „nichtsnutzige Geschöpfe“ und fürchteten vor allem, dass sie Pennsylvania „germanisieren“ könnten. Große Achtung erwarben sich die „Palatines“ dadurch, dass sie im Unabhängigkeitskrieg auf der Seite der Amerikaner standen. „Im Allgemeinen“ also „überwog der Nutzen“, so Becht.

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