Ludwigshafen „Will verstehen, was mein Vorgänger gedacht hat“

Besucher im Kreativraum mit Annabell Huwig (rechts).
Besucher im Kreativraum mit Annabell Huwig (rechts).

Aus ganz Deutschland, sogar aus Afrika und Asien zieht es Bibliothekare nach Ludwigshafen. Die Modernisierung der Stadtbibliothek, die 1963 mit einer Rede des Philosophen Ernst Bloch eingeweiht worden war, weckt derzeit internationales Interesse. Seit August vergangenen Jahres ist die Bibliothek nach zehnjähriger Planung und Bauzeit wieder eröffnet. Der Kölner Architekt Heribert Wiesemann stellte sich beim bundesweiten „Tag der Architektur“ den Fragen der Besucher.

Irene und Günter Tiefensee aus Ludwigshafen-Friesenheim sind zum ersten Mal hier. Ein RHEINPFALZ-Artikel zum Architekturtag hat sie neugierig gemacht. „Ein altes Haus ist doch wie ein Lebewesen. Hat Sie hier etwas angehaucht?“, fragt der Rentner den Architekten. „Ich bin da völlig unbefangen“, antwortet Wiesemann, der für diesen Tag aus Köln angereist ist. „Ich trete in einen inneren Monolog mit meinem Vorgänger, will verstehen, was er gedacht hat, was er vorhatte und was er davon umsetzen konnte. Ich will wissen, wo er an seine Grenzen stieß und möglicherweise Fehler gemacht hat“, beschreibt er seine Vorgehensweise. Was Karl Lochner, ihm hinterlassen hat, weiß Wiesemann durchaus zu schätzen. „Besonders weit gespannte und hoch tragfähige Decken hat er verwendet. Das erlaubt eine enorme Veränderbarkeit“, lobt er den Kollegen. Seinen Verdienst sieht er darin, Lochners Ideen auch vertikal umgesetzt zu haben. Fünf Ebenen sind jetzt optisch und funktional miteinander verbunden und das barrierefrei. „Es ist längst nicht mehr so zugig und kalt wie früher. Klimatisierung und Brandschutz waren die größten Herausforderungen“, meint der städtische Bauleiter Michael Baumann, von Beruf ebenfalls Architekt. Sehr wichtig ist Wiesemann auch das Licht. Die stromsparenden LED-Leuchten stellen sich je nach Tageszeit und Bibliotheksabschnitt automatisch ein. „Hell und freundlich, großzügig und einladend“, findet Irene Tiefensee die neue Bibliothek. „Die beiden lila Sessel am Fenster wirken auf mich wie eine gemütliche Kuschelecke“, sagt sie. Sie meint die Sony-Chairs, Stereoanlagen, die in Sessel integriert sind. „Durch die Riesenfenster bieten sich überraschend Ausblicke auf Ludwigshafen, die ich vorher nicht gekannt habe“, ergänzt ihr Mann. Sie werden wiederkommen. Viele Stunden am Tag verbringt Jürgen Schulze hier. Der Rentner aus Neuhofen liest gerne Zeitungen, nutzt aber auch die Laptops, die man hier ausleihen kann. „Hier ist Leben, aber es ist nicht laut, absolut gelungen“, meint er im Multifunktionsraum, in dem es nicht nur Zeitungen und Zeitschriften gibt. Hier können auch Vorträge, Ausstellungen und Konzerte stattfinden. Der „Makerspace“, in Ludwigshafen heißt er Ideenwerkstatt, bietet Platz zum Nähen, Basteln und Werken. Doch für viele alte und junge Leser stehen nach wie vor die Bücher in einer Bibliothek im Vordergrund. „Man findet schnell, was man sucht“, erklärt Antonia Münch. Die 14-jährige Schülerin des Carl-Bosch-Gymnasiums aus Mutterstadt braucht Lesestoff für die gerade beginnenden Ferien. Mutter Johanna nutzt die Bibliothek auch beruflich. Sie bildet Pflegekräfte aus. Im umfangreichen Ludwigshafener Medienbestand können ihre Schüler Recherchetechniken lernen. „Wir waren vorher schon oft hier, jetzt ist es noch schöner“, lobt sie Architekt Wiesemann. „Der Umbau hat sich gelohnt“, glaubt auch die Leiterin der Bibliothek, Tanja Weißmann. „Jetzt sind wir zukünftigen Herausforderungen gewachsen.“ „Der rote Faden der Baugeschichte zieht sich durch“, zeigt sich Rainer Bernhard, der Leiter des Gebäudemanagements Ludwigshafen, zufrieden über die Investition, die Altes und Neues vereint. Die Sanierung der Bibliothek hat rund 8,5 Millionen Euro gekostet. Mit dem Umbau der Kinderbibliothek im Hof wird es für ihn und das Team weitergehen.

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