Ludwigshafen Wie wird man deutsch?

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Im vergangenen Jahr hat der Ludwigshafener Kunstverein nur drei Ausstellungen gezeigt. In diesem Jahr werden es wieder vier sein. Die erste mit dem türkischen Künstler Şakir Gökçebağ und seinen ironischen Objekten wird schon in der nächsten Woche eröffnet. Bis zum Jahresende folgen inszenierte Fotos von Mazier Moradi, Videoarbeiten von Björn Drenkwitz und eine Gemeinschaftsausstellung mit dem Port 25 in Mannheim.

Die Zahl der Ausstellungen richtet sich danach, wie viel Geld der Kunstverein von Sponsoren einwerben kann. Jede Ausstellung kostet 10.000 bis 15.000 Euro, sagt Barbara Auer, die Direktorin des Kunstvereins. „Wir bräuchten mehr Zuschuss von der Stadt und dem Land“, fügt sie hinzu. Der Ludwigshafener Kunstverein sei nämlich der einzige hauptamtlich geleitete Kunstverein in Rheinland-Pfalz und die Kunstvereine im Nachbarland Baden-Württemberg, etwa die in Mannheim und Heidelberg, finanziell sehr viel großzügiger ausgestattet. Trotz der dünnen finanziellen Decke ist Ludwigshafen unter den 280 Kunstvereinen in Deutschland schon zweimal unter die besten zehn nominiert worden, zuletzt 2014. Zu den Künstlern, denen der Ludwigshafener Kunstverein in diesem Jahr ein Forum bietet, gehört Şakir Gökçebağ. Der 1965 in der Türkei geborene Künstler hat Kunst erst in Istanbul, dann an der Düsseldorfer Kunstakademie studiert und lebt inzwischen in Hamburg. In Deutschland hat ihm erst vor fünf Jahren eine Ausstellung in der Berliner Galerie von René Block zu einer größeren Bekanntheit verholfen, wo auch Barbara Auer auf ihn aufmerksam wurde. „Lustig und ironisch“ nennt die Kunstvereinsleiterin seine Arbeiten. Şakir Gökçebağ verfremdet Gebrauchsgegenstände wie Gürtel, Kleiderbügel, Besen oder Toilettenpapier, nimmt ihnen ihre Funktion und formt sie zu Ornamenten. So schlitzt er beispielsweise einen Läufer an den Seiten auf und formt die Bordüren zu einer Schlaufe, oder er macht aus Regenschirmen ein Wandbild. Die Vernissage ist am kommenden Freitag. Der zehn Jahre jüngere Maziar Moradi ist ein deutsch-iranischer Fotografiekünstler. In seinem Buch „1979“ hat er den Wandel des Iran nach dem Sturz des Schah-Regimes und der Machtübernahme Ajatollah Khomeinis anhand seiner Familiengeschichte und mittels inszenierter Fotos verfolgt. Aus inszenierten Motiven besteht auch seine Fotografieausstellung „Ich werde deutsch“. Sie setzt junge Leute der zweiten Migrantengeneration und ihre Träume in Szene. Da steht beispielsweise ein junger Mann mit Flügeln aus schwarzen Vogelfedern auf einem Dach oder eine junge Frau sitzt als Managerin an einem Schreibtisch, umgeben von gleichaltrigen verschleierten Frauen. Auf dem effektvollsten Foto werden zwei Jugendliche von Polizisten gejagt: Der eine liegt schon überwältigt am Boden, während ihm Handschellen angelegt werden, ein anderer macht einen Riesensatz über eine Mauer, und ein dritter sitzt mit Gipsfuß und Krücken auf einer Bank. Für die Ende April geplante Ausstellung in Ludwigshafen ist Maziar Moradi gerade dabei, in Auffanglagern für Flüchtlinge Aufnahmen zu machen. Titel der Ausstellung: „Ich werde deutsch – der Anfang“. Zum ersten Mal arbeitet der Ludwigshafener Kunstverein bei einer für den Herbst vorgesehenen Ausstellung mit dem Port 25 zusammen, der neuen Galerie im Mannheimer Jungbusch. „Timelines“ wird insgesamt 20 Künstler versammeln, die sich alle mit dem Thema Zeit beschäftigen. Jan Schmidt, der vor drei Jahren die Ausstellung „Markierung#1“ im Ludwigshafener Kunstverein hatte, hat beispielsweise im Sommer Laub gesammelt, die Blätter verfallen lassen und sie durchnummeriert. Nun stellt er sie in Kästen zur Schau. Der Mannheimer Peter Dreher malt seit den 1970er Jahren immer nur ein Motiv: ein Wasserglas. Und die Malerin Claudia Desgranges hat mit ihren Pinseln „Farbtagebücher“ geführt. Schon in das nächste Jahr 2017 wird eine Ausstellung mit Björn Drenkwitz hineinragen. Der Videokünstler Jahrgang 1978 wurde 2011 mit dem Emy-Roeder-Preis ausgezeichnet, den der Kunstverein Ludwigshafen seit 1987 gemeinsam mit dem Land Rheinland-Pfalz vergibt. In seinen Filmen lässt er zum Beispiel in ein Stillleben nach dem Vorbild der holländischen Genremaler zwei Katzen einbrechen und die toten Fische und sonstige Leckereien plündern. Oder er beobachtet mit der Kamera, wie lange Schauspieler den Atem anhalten können. Seine Ludwigshafener Ausstellung wird sich mit den Themen „Nationalität“ und „nationale Identität“ auseinandersetzen. In der Zeit des Umbaus der Stadtbibliothek, mit der der Kunstverein im selben Gebäude untergebracht ist, ist der Eintritt in die Ausstellungen frei. Termine —23. Januar bis 10. April: Sakir Gökçebag, „Reorientation“. Vernissage am Freitag, 22. Januar, 19 Uhr, im Ludwigshafener Kunstverein, Bismarckstraße 44-48. —23. April bis 26. Juni: Maziar Moradi, „Ich werde deutsch – der Anfang“. —17. September bis 6. November: „Timelines“, gemeinsames Projekt mit Port 25. —19. November bis 15. Januar 2017: Björn Drenkwitz, „Das Floß“.

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