Ludwigshafen „Wie nach Hause kommen“

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Vor zehn Jahren hat es in Ruanda für acht Millionen Einwohner gerade mal drei Augenärzte und drei Optiker gegeben. Die Ludwigshafenerin Erika Hauß-Delker entschied sich, etwas dagegen zu tun. 2005 begann sie, in einem Krankenhaus in der ruandischen Stadt Ruli eine Augenabteilung aufzubauen. Diese feiert nun ihr zehnjähriges Bestehen.

„Für mich ist es ein bisschen wie nach Hause kommen“, sagt Erika Hauß-Delker über ihre Reisen in das ostafrikanische Land. Die Gesellschafterin von Delker-Optik war schon 16 Mal in Ruli, das sich 30 Kilometer von der Hauptstadt Kigali entfernt befindet. 1989 hat der Verein Krankenhaus Ruanda aus einer Gesundheitsstation in Ruli ein Distriktrankenhaus gemacht, Träger ist die katholische Kirche. 2005 wurde es auf Initiative von Erika Hauß-Delker um eine Augenabteilung erweitert. Seitdem reisen ein- bis zweimal im Jahr Teams aus Augenärzten und Optikern nach Ruli, um die Augenbeschwerden der dort lebenden Menschen zu behandeln. In den vergangenen zehn Jahren habe sich viel getan: 23 Augenärzte und OP-Schwestern haben 6400 Patienten behandelt und 670 Menschen operiert. Das Optikerteam hat 1200 individuelle Brillen angefertigt. Die Abteilung sei nun doppelt so groß wie am Anfang und eine etablierte Einrichtung, die auch in Regierungskreisen bekannt sei, erzählt Hauß-Delker. Vieles laufe in Eigenregie der ruandischen Kollegen. Es sei nicht selbstverständlich gewesen, dass das Projekt über zehn Jahre laufe. „Ich freue mich sehr, dass es sich so positiv entwickelt hat“, sagt die 61-Jährige. „Heute braucht man keine Angst mehr zu haben, dass dort alles geklaut, kaputt oder weg ist.“ Die letzte Reise unternahm das Augenklinik-Team im März. „Wir haben in fünf Tagen 350 Menschen empfangen“, sagt Hauß-Delker. 47 Operationen wurden vorgenommen, 50 Brillen verschrieben. Die Operationen, die die deutschen Ärzte in Ruli am häufigsten durchführen, dienen zur Beseitigung des grauen Stars – eine natürliche Alterserscheinung, die fast jeden Menschen irgendwann heimsucht, erklärt Augenärztin Barbara Doschko (41 ), die nun zum dritten Mal mit von der Partie war. „Man kann sich die Augenlinse wie ein Fenster vorstellen, das man 70 oder 80 Jahre nicht putzt“, sagt Doschko. „Sie trübt ein, dann kann man nicht mehr durchsehen.“ Für die OPs hätten sie sich 2015 ein neues Spezialgerät geleistet. Damit könne man die eingetrübte Linse auflösen, um eine neue künstliche Linse einzusetzen – quasi eine Brille innerhalb des Auges. Oft hätten Patienten Eintrübungen auf der Linse, so groß wie ein Pullmoll-Bonbon. Sie könnten nur noch hell und dunkel unterscheiden. Eine Patientin hätte zwei solcher Eintrübungen gehabt, erzählt Doschko. „Als wir ihr nach der OP den Verband abnahmen, hatte sie eine Sehstärke von 80 Prozent. Sie hat sich unglaublich gefreut und wollte, dass wir ein Foto von ihr machen und es ihr zeigen. Denn sie hatte sich selbst schon lange nicht mehr gesehen.“ Der graue Star ist eine Erkrankung, die Ärzte mit der Ausstattung der Augenklinik behandeln können. Das gilt nicht für alle Erkrankungen. „Schlimm finde ich es, wenn die Menschen mit Leiden zu uns kommen, die wir nicht operieren können“, sagt Doschko. Viele Geräte gebe es in Ruanda nicht, und man könne sie auch nicht ohne Weiteres verschiffen. Erst kürzlich hätten sie ein Augenuntersuchungsmikroskop gespendet bekommen. Es nach Ruanda zu schicken, werde wahrscheinlich 2000 Euro kosten. „Daher versuchen wir, so viel wie möglich lokal zu machen“, erklärt Hauß-Delker. Ihr größtes lokales Kapital sind die zwei ruandischen Mitarbeiter Dativa und Sildio, die in Abwesenheit der deutschen Ärzte die Augenabteilung betreuen. Sildio ist Optiker, er nimmt Sehtests vor und fertigt Brillen an. Dativa verschreibt als Optometristin Brillenrezepte, diagnostiziert Krankheiten und sucht die OP-Fälle für die Ärzteeinsätze aus. Wenn die Teams da sind, bilden sie Dativa und Sildio weiter und helfen bei der Wartung der Geräte. In Ruanda gebe es keine Ausbildung zum Augenarzt, erklärt Hauß-Delker. Dazu müsste man nach Südafrika oder Kenia, nach Europa oder in die USA. In Zukunft will Hauß-Delker noch mehr Verantwortung in die Hände der ruandischen Kollegen geben. So soll die Materialbeschaffung künftig nicht mehr über Deutschland laufen. Irgendwann würde sie auch gerne einen einheimischen operierenden Arzt einstellen. Ihr größter Wunsch: „Dass irgendwann alles von alleine läuft und ich nur noch in den Urlaub nach Ruanda fahre.“

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