Ludwigshafen „Weitermachen!“

Nach einer Notoperation swingt James Last wieder. Im März ist er auf große Tour gegangen. Es soll endgültig die letzte sein. Bei einem Treffen in Hamburg hat er von Millionenschulden, Babyfläschchen voller Gin Tonic und 85 Jahren eines Lebens ohne Plan erzählt.

Der Smalltalk fällt verdammt kurz aus an diesem grauen Wintertag gegen 13 Uhr in einer Suite des Hamburger Atlantic Hotels Kempinski. Auf die Frage, wie es ihm gehe, würde James Last natürlich nicht mit „Danke, gut“ antworten. Wenige Wochen zuvor wurde er notoperiert. Last wirkt noch etwas wackelig in seinen weißen Sneakers, umso fester ist der Druck seiner wuchtigen Bandleader-Hand: „Ich bin Hansi!“ Sofort redet er über seine Gesundheit. Als er plötzlich nicht mehr essen und trinken konnte, wurde es seiner Frau Christine zu bunt. Sie sitzt in der Ecke der Suite und nickt. „Wir sind ins Krankenhaus gefahren. Darmverschluss. Und eine, wie heißt das noch mal?“ „Divertikulitis“, antwortet die Stimme aus der Ecke. „Genau! Wäre da etwas geplatzt, säßen wir heute nicht hier.“ Hansi, was war Ihr erster Gedanke, als Sie nach der Not-OP aufwachten? Musik! Ich dachte sofort wieder an Musik. Sie können nicht anders? Vielleicht lag es auch an meiner Frau. Sie saß die ganze Zeit auf einem Stuhl an meinem Bett, hat sogar dort geschlafen. Die Songs für die neue Show hatte ich Gott sei Dank schon direkt nach der letzten Tour geschrieben und arrangiert. Als ich aus dem Krankenhaus kam, habe ich meinem Sohn sofort den Opener der neuen Show vorgespielt. Er meinte nur: „Mensch Papa, du swingst ja schon wieder!“ (lacht) Wären Sie einige Tage eher geboren, wären sie 1945 noch an die Front einberufen worden. Auch den Hautkrebs und die Darm-OP haben sie gut überstanden… Der da oben passt auf mich auf. Schon mein ganzes Leben lang. Bis auf den Tod meiner Frau gab es keine schweren Schicksalsschläge. Na gut, einmal war ich pleite. Aber ich habe nie Wert auf Geld gelegt. Wie hoch waren Sie verschuldet? 15 Millionen Mark. Wegen irreführender Beratungen. Ich musste mir Geld von der Bank leihen. Als ich alles abbezahlt hatte, fragte ich noch mal nach einem Kredit über eine Million, damit ich wieder auf Tournee gehen konnte. Die Antwort: „Mit 65 sind Sie dafür zu alt.“ Wie beginnen Sie heute Ihre Tage? Jeden Morgen um sieben Uhr gehe ich mit meiner Frau schwimmen. Das ist Ehrensache. Sie läuft auch noch. Während sie joggt, mache ich Frühstück. Außerdem gehe ich zweimal die Woche zum Workout. Ich habe ja schon seit fast 20 Jahren einen Personal Trainer. Das ist sehr wichtig. Er sorgt dafür, dass ich pünktlich zu den Tourneen fit bin. Pharrell Williams hat kürzlich die inoffizielle Happy-Hymne geschrieben. Was sagen Sie als Erfinder des Happy-Sounds dazu? Den Titel spielen wir auch. Anfangs dachte ich noch: Was ist das denn? Ich war da erst etwas oberflächlich. Wie viele Menschen das auch bei Lady Gaga sind. Die hören nicht die Musik, sondern sehen nur, dass sie angemalt ist und ein Spaßleben führt. Andere, die keinen Spaß haben, meinen dann: Scheißmusik. Aber das stimmt nicht. Schubladendenken ist Ihnen fremd? Ja. Die Vielfalt macht die ganze Sache so reich für mich. Die Welt ist so breit – wenn man nur ein schmales Stück davon sieht, geht es nicht lange gut. Als ich damals am Knie operiert wurde, kam ein Anruf. „So ein Rapper hat sich gemeldet und will einen deiner Titel“, meinte jemand aus meinem Verlag. Wir haben erst zwei Tage später rausgekriegt, wer das war: Puff Daddy. Toll! Eigentlich habe ich mich ja nur operieren lassen, damit ich wieder so einen Anruf bekomme (lacht). Es hat sich aber niemand gemeldet. 1965 bot Ihnen der NDR eine Anstellung auf Lebenszeit an. Sie ließen sich lieber beurlauben… Ja, ein Jahr lang. Bei den Radioanstalten machte man damals noch Dienst. Keine Musik, sondern Dienst. Morgens um 9.30 Uhr musste ich erscheinen, die Titel wurden angespielt, geprobt, dann war Mittagspause, und danach nahmen wir wieder auf. Tag für Tag. Und das noch 30 Jahre? Nee, das ging nicht. Mein Vater schlug die Hände über dem Kopf zusammen und meinte: „Mensch, du hättest dort auf Lebenszeit arbeiten können.“ Aber es hat ja auch so geklappt. Einen Plan hatten Sie in Ihrem Leben offenbar nie? Nein, es hat sich immer alles ergeben. Ich habe auch keinen Sound erfunden. Auch wenn das immer alle behaupten. Ich habe vom lieben Gott die Gabe erhalten, dass ich das aufschreiben kann, was in meinem Kopf vor sich geht. Das tue ich. Und manchmal mögen es Millionen Menschen. Ich habe sie nicht herbestellt, die sind alle von selbst gekommen. Enden Ihre Tourabende eigentlich noch immer an den Hotelbars? Früher haben wir die Bars übernommen. Heute bin ich da schon etwas bescheidener. Im Moment sowieso. Schmeckt mir auch gar nicht. Früher hätte ich um diese Zeit schon mal einen Gin Tonic drin gehabt. Aber ich habe jetzt ja einen Aufpasser (zeigt in Richtung Ecke). Früher haben Sie keine Party ausgelassen? Wir waren einmal auf Tour in Australien, und im Flugzeug durften wir nicht trinken. Der australische Veranstalter hatte die Lösung. Er kam mit Kisten voller Babyfläschchen an. Im Flugzeug saßen wir dann alle und haben Gin Tonic aus Fläschchen genuckelt (lacht). In Ihrem Haus gibt es dieses Bild, auf dem steht: „Weitermachen!“ Hängt es noch? Das hängt noch. Andauernd werde ich gefragt: Haben Sie noch einen Wunsch? (Pause) Weitermachen! Ich habe ein tolles Leben. Ihr Leben ist ein Medley. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, mit welchem Titel es enden soll? Ein Medley, das trifft es gut. Über den letzten Titel nachgedacht? Dazu bin ich noch nicht gekommen. Nein, so weit denke ich nicht.

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