Ludwigshafen Wahlverwandtschaften

Vor 205 Jahren, als es die Stadt Ludwigshafen und damit ihren Stadtrat noch gar nicht gab und ergo auch keine Stadtratswahl wie jene am nächsten Sonntag, hat Johann Wolfgang von Goethe den Roman „Die Wahlverwandtschaften“ geschrieben. „Säen ist nicht so beschwerlich als ernten“, heißt es darin. Und das ist ein Zitat, das man keineswegs mit „Fack ju Göhte“ oder auch „Fuck you Goethe“ beantworten sollte. Es lässt sich vielmehr bestens auf die Wahl am Sonntag übertragen. „Säen ist nicht so beschwerlich als ernten“ soll heißen: So schwer es ist, tatsächlich einen Sitz im Stadtrat zu erlangen, so schnell ist ein Name auf eine Liste geschrieben. Gerne auch mehrmals derselbe. Besonders auffällig ist das bei der FWG. Jeweils vier der 30 Plätze haben die Friesenheimer Dynastie Ehlers und die Gartenstadter Dynastie Bellmann besetzt. Im Einzelnen kandidieren Christian Ehlers (Platz zwei), seine Frau Annette Schäfer-Ehlers (Platz 14), sein Zwillingsbruder Hans Ehlers (Platz acht) und dessen Frau Barbara Ehlers (Platz sieben). Die beiden Paare, die jeweils einen beziehungsweise zwei Söhne haben, wohnen nur 100 Meter voneinander entfernt. „Es gibt keine Rivalität zwischen uns“, versichert Christian Ehlers. Allerdings kann er sich nicht vorstellen, seinen Bruder zu einer Stadtratssitzung zu schicken, wenn er selbst nicht kann: „Er hat ein etwas impulsiveres Temperament. Das würde auffallen.“ „Als kleine Partei muss man die Liste vollkriegen, damit man keine Stimmen verschenkt“, bekennt FWG-Spitzenkandidat Rainer Metz, dessen 83-jährige Mutter Käthe auf Platz 20 kandidiert. Über den Fall, sie könne in den Stadtrat gewählt werden, macht sich der Sohn keine Gedanken: „20 Sitze zu haben, wäre toll. Aber man muss realistisch sein.“ Eng dürfte es auch für Maren Bellmann (Platz sechs) werden, die wiederum mehrere Angehörige von der Kandidatur überzeugen konnte: ihren Bruder Rolf (Platz 19), ihre Mutter Bettina (Platz 29) und ihren Vater Peter (Platz 25), der seinerseits ein Freund von Hans Arndt (Platz fünf) ist. Die Idee, seine Mutter zur Kandidatur zu bewegen, hatte auch Linken-Spitzenkandidat Liborio Ciccarello: Rosalia Rizzuto Ciccarello, 67, kandidiert auf Platz zehn. Es gibt mehrere vor allem italienisch klingende Familiennamen, die sich häufiger auf dieser Liste finden. „Sie musste voll werden, damit wir keine Personenstimmen verlieren“, sagt Ciccarello über die aus dem Hemshof und aus Friesenheim stammenden Familien, die nach seinen Worten „das Programm unterstützen, ohne sich Illusionen zu machen“. Nicht ausgeschöpft haben die Möglichkeiten der Listenaufstellung hingegen die Piraten und die Grünen. Mit Dorothee Tavernier (Platz neun) und Elmar Strifler (Platz 18) findet sich dort immerhin ein Ehepaar. Auf den Listen der großen Parteien sucht man Familienbande fast vergeblich. Während bei der Wahl 2009 mit der OB-Tochter Theresa Lohse noch prominenter Nachwuchs in den Stadtrat gewählt wurde, sieht es damit diesmal düster aus: Die junge CDU-Stadträtin ist ausgeschieden, als sie einen neuen Arbeitsplatz in Frankfurt antrat. Der Sohn der Maudacher Ortsvorsteherin Rita Augustin-Funck (CDU-Liste, Platz neun), Steffen Funck, ist Bezirksvorsitzender der Jungen Union, kandidiert aber nicht für den Stadtrat. Und Juso-Unterbezirksvorsitzender Jan-Philipp-Simon, Sohn der Mundenheimer Ortsvorsteherin und Landtagsabgeordneten Anke Simon (SPD-Liste, Platz drei), hat mit einer Kandidatur auf Platz 35 auch nicht gerade die allerbesten Chancen auf einen Sitz im neuen Ludwigshafener Stadtrat. Spekulieren sollte man darüber aber jetzt auch wieder nicht. „Ich weiß“, sagt Charlotte in den „Wahlverwandtschaften“ zu Eduard, „dass du in zweifelhaften Fällen gerne wettest oder würfelst; bei einer so ernsthaften Sache hingegen würde ich dies für einen Frevel halten.“

x