Ludwigshafen Wütende Erzieherinnen

Viele Erzieherinnen bezweifeln, dass das geplante Gesetz dem Kindeswohl dient.
Viele Erzieherinnen bezweifeln, dass das geplante Gesetz dem Kindeswohl dient.

Knapp 400 Erzieherinnen hätten gern den Ausführungen des Mainzer Staatssekretärs Hans Beckmann (SPD) gelauscht und mit ihm über das Kita-Zukunftsgesetz diskutiert, das nach dem Willen des rheinland-pfälzischen Bildungsministeriums in zwei Jahren wirksam werden soll. Aber mit einem so großen Interesse habe man nicht gerechnet, berichtete die Ludwigshafener SPD-Landtagsabgeordnete Anke Simon im Vorfeld des Abends. Weil der Stadtratssaal und das Foyer nicht für so viele Menschen zugelassen seien, habe man einige Dutzend Erzieherinnen ausladen müssen. „Leider.“ Das hatte sich schnell herumgesprochen und die Stimmung möglicherweise schon im Vorfeld aufgeheizt. Man kann es auch etwas klarer formulieren und behaupten, dass sehr viel Dampf im Kessel war, noch bevor der Gast aus Mainz und Moderatorin Simon nur ein einziges Wort verloren hatten. Zwei Stunden später erntete der Personalratsvorsitzende der Stadtverwaltung, Stefan Limburg, tosenden Beifall für seine persönliche Bilanz der Diskussion: „Wir haben nicht erfahren, was wir wollten. Und ihr habt nicht verstanden, was wir wollten.“ Aber zurück zum Anfang: Staatssekretär Beckmann erläuterte, dass er seit einiger Zeit im ganzen Land unterwegs sei, um über den seit Sommer vorliegenden Entwurf für das neue Kita-Gesetz zu diskutieren und „Impulse aus der Praxis“ einzusammeln. Diese sollen dann in das Gesetz eingearbeitet werden. 25 Termine habe er schon absolviert. Das alte Gesetz stammt aus dem Jahr 1991. Es sei mit Blick auf den Alltag von Familien nicht mehr zeitgemäß und müsse daher grundsätzlich reformiert werden. Parallel dazu soll auch der Ausbau des Angebots an Kita-Plätzen weiter vorangehen, so der Staatssekretär weiter. „Wir brauchen mehr Kita-Plätze.“ Das neue Kita-Zukunftsgesetz soll laut Beckmann mehr Verlässlichkeit für Eltern bringen. Es sieht zum Beispiel einen Anspruch auf sieben Stunden durchgängige Betreuungszeit samt Mittagessen vor, nannte er einzelne Aspekte. Künftig soll es einen Kita-Beirat geben, und die Beitragsfreiheit soll ausgebaut werden. Für die Leitungen werde eine verbindliche Zeit für die Führungsaufgaben festgeschrieben, das Personal- und Gruppensystem werde vereinfacht, fuhr Beckmann fort. Zudem gebe es zwei zusätzliche Budgets. 46 Millionen Euro sollen den Jugendämtern dafür zur Verfügung gestellt werden, dass der jeweilige Sozialraum spezielle Anforderungen an Kitas stellt. 27 Millionen umfasst das sogenannte Entwicklungsbudget. Diese Budgets sollen ausschließlich für Personal eingesetzt werden. Jede Kita in freier Trägerschaft bekommt 4500 Euro jährlich zusätzlich für Qualitätssicherung. Die Hauptkritik der Erzieherinnen richtete sich einerseits gegen die neue Berechnung des Personalschlüssels. Kleinere Einrichtungen befürchten, dass sie trotz ständig steigender Aufgaben Personal abbauen müssen. Staatssekretär Beckmann entgegnete: „Wir wollen ausdrücklich nicht, dass an Kitas Personal abgebaut werden muss.“ Ein weiterer Kritikpunkt der Fachkräfte war, dass künftig kein Unterschied mehr zwischen Zwei- und Dreijährigen gemacht werde. Sie fordern: Wenn mehr zweijährige Kinder aufgenommen werden, die eine intensivere Betreuung als Ältere benötigten, müsse auch der Personalschlüssel steigen. Als besonders großes Problem sehen die Erzieherinnen das garantierte Mittagessen. Sie befürchten, dass dafür speziell in größeren Einrichtungen Räume und Personal fehlen. Denn es sei damit zu rechnen, dass in Zukunft viele Eltern ihre Kinder über Mittag bevorzugt in der Kita lassen werden. Grundsätzlich stellt sich für die Erzieherinnen die Frage: Wo bleibt das Kindeswohl? Die Einrichtungen stünden bereits sehr unter Druck, da der Rechtsanspruch auf Betreuung zwar vorhanden sei, aber noch lange nicht erfüllt werden könne, weil der Kita-Ausbau nicht schnell genug vorankommt. Dass den Eltern nun noch weitere Angebote gemacht und damit neue Baustellen geschaffen werden, macht die Erzieherinnen schlicht wütend. Wochenspiegel

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