Ludwigshafen Ungeheure Präsenz

Wenn ein Weltstar wie Ute Lemper aus New York nach Ludwigshafen kommt, ist das schon etwas Besonderes. Gleich zwei Abende hintereinander beehrte sie das BASF-Feierabendhaus. Mitgebracht hatte sie Klassiker von Brecht und Weill, aber auch ihre brandneuen Vertonungen von Liebesgedichten des chilenischen Dichters Pablo Neruda.

„Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“, gurrte sie. Und wahrscheinlich war schon nach dieser Zeile der größte Teil des Publikums dahingeschmolzen. Die Pose des verführerischen Vamps beherrscht Ute Lemper exzellent. Da glaubt man gerne, dass sie als die neue Marlene Dietrich gehandelt wurde. „Ich möchte Sie auf eine Zeitreise mitnehmen“ versprach sie dem Publikum. Es wurde nicht nur eine Reise in die zwanziger Jahre, es wurde auch eine Reise in Ute Lempers Karriere. Mit „Ute Lemper singt Kurt Weill“ gelang ihr 1987 der Durchbruch, erst in Deutschland, dann mit der englischen Fassung auch international. Von da an galt sie als die unbestrittene Autorität, wenn es um Chansons und Lieder aus dem verruchten Vorkriegs-Berlin ging. Blond und sehr deutsch wirkend, aber von internationalem Kaliber, das hatte es lange nicht gegeben. Klar, dass die heute 51-Jährige auch in Ludwigshafen Lieder von Brecht und Weill präsentierte. Mackie Messer aus der Dreigroschen-Oper schlich um die Ecke, die Sängerin ging mit dem Publikum auf die Suche nach der Whiskey-Bar, und auf dem Weg durch die Straßen des nächtlichen Berlin sahen wir unter der Laterne, vor dem großen Tor, auch Lili Marleen stehen - wo sie zwar nicht Brecht und Weill hingestellt haben, aber Marlene Dietrich, die das Stück über alle Grenzen hinweg bekannt gemacht hat. Nach Chanson und Kabarett im ersten Teil widmete die Sängerin den zweiten Teil des Abends den Liebesgedichten von Pablo Neruda. Der chilenische Dichter, der 1971 den Literatur-Nobelpreis erhielt, kämpfte gegen den Faschismus in Spanien und in seiner Heimat. Einen besonderen Platz in seinem dichterischen Werk haben seine sensiblen Liebesgedichte. „Ich habe immer diesen Gedichtband bei mir, auf allen meinen Reisen“, sagte Ute Lemper. Und dann sang sie von der Nacht auf der schwarzen Insel, von der Sehnsucht, vom Verlassensein, vom Wiederfinden. Es wurde ein Abend, an dem Ute Lempers Stern alles überstrahlte. Ihre Präsenz war so groß, dass alles andere dahinter kleiner wirkte. Ob Brecht oder Neruda – Lempers Dynamik und Dramatik rückten stets die Sängerin in den Mittelpunkt. Ihre akustischen Bilder malte sie mit dicken Strichen und wuchtigen Farben. Das machte Eindruck. Aber man konnte sich davon auch geblendet und innerlich unberührt fühlen.

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