Ludwigshafen Unbändige Experimentierfreude

Wenn die Rolling Stones das Etikett „dienstälteste Rockband der Welt“ verpasst bekommen, dann steht Guru Guru das Prädikat der dienstältesten Rockband Deutschlands zu. Eben erst war die seit 1968 bestehende Band wieder auf Deutschland-Tournee. Ihr umjubeltes Abschlusskonzert hat sie im Ludwigshafener Haus gegeben.

Bei „dienstälteste Rockband“ fragt man sich unwillkürlich, in wessen Dienst sie denn steht. Im Dienste einer Plattenfirma, von der sie sich hätte vorschreiben lassen, was sie im Interesse der Verkaufszahlen zu spielen hat? In solchen Diensten hat Guru Guru nie gestanden. Besser gesagt, Mani Neumeier nicht. Denn Guru Guru ist Mani Neumeier. Und dessen Ursprung ist der Free Jazz. Als 25-Jähriger spielte der gebürtige Münchener zusammen mit der Pianistin Irène Schweizer, einer der frühen Koryphäen dieser aus allen Bindungen befreiten Improvisationsmusik in Europa. Zwei Jahre später gründete der Schlagzeuger seine Guru Guru. Es war 1968, ein Jahr des Aufbruchs und der Veränderungen. Die Studenten revoltierten, junge Leute nahmen Drogen, um ihr Bewusstsein zu erweitern, zogen in Landkommunen und pilgerten nach Indien auf der Suche nach anderen Lebensformen und mentalen Zuständen. In dieser Atmosphäre gedieh die Musik des verspielten und experimentierfreudigen Mani Neumeier. Er saugte Einflüsse von Jimi Hendrix, Franz Zappa, Soft Machine und vielen anderen auf. Mit ihnen sprengte er die engen Grenzen des Rock ’n’ Roll und öffnete sich der elektronischen Musik und Klangexperimenten jeder Art. Mani Neumeiers Lust am Experimentieren kam auch in den ständig wechselnden Besetzungen von Guru Guru zum Ausdruck. Die vollständige Genealogie der Band würde Bände füllen. Die letzte Besetzung, die jetzt auch am Ende der im Oktober gestarteten Deutschland-Tournee im Ludwigshafener Haus spielte, ist recht stabil, für Guru Guru sogar unheimlich stabil. Mani Neumeier, der sich wegen der ständigen Neubesetzungen statt Bandleader früher auch schon einmal Orchesterchef nannte, versteht sich jetzt als „der gute Geist“. Um diesen guten Geist scharen sich seit bald zehn Jahren der Mannheimer Gitarrist Hans Reffert, der Gitarrist und Saxophonist Roland Schaeffer und der Bassist Peter Kühmstedt. Viele Guru Guru-Fans sind mit Mani Neumeier im Laufe der Jahre ergraut. Die langen dunklen Haaren und der Bart sind ab. Glattrasiert und mit schütterem weißen Haar erinnert nur noch ein bunt betupftes T-Shirt und eine Kette an den einstigen Bürgerschreck. Seine Mitspieler im Dôme wirken schon gleich so, als kämen sie soeben von ihrem Schreibtischjob. Aber der kleine drahtige Guru Guru-Kopf, der in wenigen Tagen, an Silvester, 74 Jahre alt wird, strahlt noch immer eine unerhörte Energie aus. Und die überträgt sich auf die Band. Es ist eine Mischung aus alten und neuen Titeln, die die Band bei ihrem Konzert im Haus präsentiert. Von einem eigenen, unverkennbaren Guru Guru-Sound lässt sich eigentlich auch nicht sprechen. Am liebsten ist den meisten im Publikum noch ein kerniger Rock zum Mitstampfen, wie ihn die Band mit „Rock ’n’ Roll Machine“ von der letzten Studio-CD „Electric Cats“ bietet. Andere Titel sind funky wie „Der Iddli-Killer“, manche bluesig wie „Wonderland“, in dem Hans Reffert auf seiner Fender-Lap-Steel-Gitarre glänzt. Roland Schaeffer bringt auf der Nadaswaram, einem indischen Blasinstrument, märchenhaft orientalische Töne ein. Und „Der Elektrolurch“ darf selbstverständlich bei keinem Konzert fehlen, von Mani Neumeier in einer seltsamen Verkleidung dargeboten. Auf dem „Ooga Booga-Special“ von 1972 zeigt er schließlich sein ganzes Können auf dem Schlagzeug. Und er denkt noch lange nicht daran aufzuhören. „Ich habe Lionel Hampton noch mit 83 Jahren spielen sehen“, sagte er dazu am Rande des Konzerts.

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