Ludwigshafen „Stayin’ Alive“: Drücken kann jeder

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Ungewöhnlich laute Musik tönt aus der Cafeteria der Oggersheimer BG-Klinik. Die Klänge geben den Takt der Herzdruckmassage vor. „Im Ernstfall braucht man nur ein wenig Rhythmusgefühl“, erklärt Oberarzt Johannes Horter dazu. „100 bis 120 Mal pro Minute immer wieder mit ausgestreckten Armen den Brustkorb des Patienten fünf bis sechs Zentimeter eindrücken, bis der Arzt kommt“, lautet seine klare Anweisung. Die Musik helfe dabei. „Stayin’ Alive“ – Am Leben bleiben. Bei den Bee Gees passt nämlich nicht nur der Titel, sondern auch der Takt. „Es gehen aber auch Volksmusik, Country oder Heavy Metall und noch vieles andere mehr“, erklärt Horter den interessierten Zuschauern. Der Radetzky-Marsch ist auch dabei. Dass dem Patienten dabei die Rippen brechen, sei ein vergleichsweise geringes Problem. „Wenn man die Herzmassage unterlässt, wird das Gehirn nicht mit Sauerstoff versorgt. Dieser Schaden ist viel größer.“ Doch zuvor gibt es zwei weitere wichtige Schritte: „Zunächst einmal versuchen wir, den Patienten anzusprechen, kneifen ihn auch, um zu sehen, ob er darauf reagiert. Dann setzen wir einen Notruf an die bundesweit gültige Rufnummer 112 ab, und dann legen wir den Brustkorb des Betroffenen frei und beginnen mit der Herzdruckmassage“, zählt er auf. Denn der plötzliche Herztod sei nach wie vor eine der häufigsten Todesarten in Deutschland, könne aber oft verhindert werden, wenn Laien mit zupacken. „Denn in der Regel passieren solche Fälle im Kreis der Familie oder auch im Sportverein. Es ist also immer jemand in der Nähe, der helfen könnte.“ Und auch helfen sollte. „In Norwegen etwa haben wir eine Laienversorgungsquote von etwa 80 Prozent. In Deutschland liegen wir, je nach Region, zwischen einem und 28 Prozent.“ Noch viel Potenzial also. Genau deshalb ist auch Fritz Pister aus Altrip an die BG-Klinik gekommen. „Ich hatte so einen Fall schon einmal in der Familie und will das nächste Mal wissen, was ich selbst tun kann“, sagt der 65-Jährige. „Und ich mache dann wohl auch noch einen Kurs beim Roten Kreuz.“ Den schwersten Schritt hat er dabei schon geschafft. „Man muss sich überwinden, aktiv zu werden, und darf keine Angst vor Fehlern haben. Der größte Fehler, den man machen kann, ist nämlich, wenn man nichts tut.“ Auch Inge Pohl will ihre Kenntnisse auffrischen. „Der Führerschein ist bei mir schließlich schon eine Zeit lang her, und man vergisst so vieles“, sagt die 74-Jährige. Auch ihr erklärt Johannes Horter an der Übungspuppe die Grundzüge: „Der ideale Druckpunkt befindet sich im Prinzip in der Mitte zwischen den Brustwarzen. Dort legt man seine Hände übereinander und beginnt zu drücken.“ „Ah, Ah, Ah, Ah Stayin’ Alive.“ – das sind alleine sechs Massagen. Fehlen nur noch 94 in der Minute. „Ein Leben retten – 100 pro Reanimation“ heißt die Aktion des Gesundheitsministeriums, denn 100 Mal drücken pro Minute rette Leben. „Es geht uns darum, für das Thema noch mehr zu sensibilisieren“, erklärt Horter. „Deshalb gehen wir nächstes Jahr vielleicht damit auch aus der Klinik heraus in die Innenstadt. Schließlich ist es das Ziel, dass möglichst viele Menschen die Situation bei einem Herzanfall erkennen und schnell und richtig reagieren.“ Deshalb werde auch auf weitere Ratschläge verzichtet. „Die Beatmung ist eine Sache für die Fachleute. Reanimation per Herzdruckmassage ist hingegen einfach. Drücken kann jeder. Und wenn man sofort damit beginnt, verdoppeln und verdreifachen sich die Überlebenschancen des Patienten“, wirbt er auch bei den beiden Pflege-Praktikantinnen Mia Sophie Pörksen und Selina Patche um Courage. „Das sind einfache Handgriffe, die wirklich jeder kann“, sind die beiden nach wenigen Minuten überzeugt, und auch sie drückten eifrig im Takt der Bee Gees: „Ah, Ah, Ah, Ah – Stayin’ Alive“.

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