Ludwigshafen Respektvolle Annäherung

Bernd „Lömsch“ Lehmann (links) und Erwin Ditzner
Bernd »Lömsch« Lehmann (links) und Erwin Ditzner

Jazzkonzerte im Wilhelm-Hack-Museum gab es gelegentlich auch früher, aber nach einer längeren Entfremdungsphase ist daraus nun eine regelmäßige Reihe mit dem Ludwigshafener Lokalmatador Erwin Ditzner als Gastgeber geworden. Beim zweiten Konzert in Ditzners Club war das Trio-Projekt „Die Motive des Richard W.“ zu erleben.

Man kann nicht behaupten, dass der Jazz und Richard Wagner gute Freunde wären. Bach nennen viele Jazzmusiker als wichtigen Einfluss, die französischen Impressionisten, Bartók, selbst Alban Berg sind Bezugspunkte. Bei der zeitgenössischen Avantgarde, speziell in den USA, sind die Grenzen zwischen E-Musik und Jazz ohnehin offen. Aber Wagner, Hitlers Lieblingskomponist mit seinen kruden Rittergeschichten, das passte überhaupt nicht. Jedenfalls bis 2013, dann feierte der Bayreuther 200. Geburtstag, und ein paar Jazzer schauten sich seine Musik genauer an. Der Kontrabassist Dieter Ilg hat sich damals mit „Parsifal“ beschäftigt, Schlagzeuger Eric Schaefer fragte mit Unterstützung von Dub-Beats und viel Elektronik „Who is afraid of Richard W.?“. Auch beim in der Rhein-Neckar-Region beheimateten Hermann Art Kollektiv fand man Wagner damals interessant. Speziell die Leitmotive des „Ring“ hatten es den Musikern angetan, kurze melodische Phrasen oder Signale, mit denen Wagner Figuren, Landschaften oder bedeutsame Dinge charakterisierte und über die man wunderbar improvisieren kann. Vor allem Lömsch Lehmann war hier die treibende Kraft. Der hatte in Mannheim klassische Klarinette bei Hans Pfeifer studiert, einem Wagner-Verehrer, der selbst im Bayreuther Festspielorchester mitgewirkt hatte. Lehmann wandte sich dann dem Saxophon und dem Jazz zu, aber in besagtem Wagner-Jahr 2013 schrieb er zusammen mit dem Kontrabassisten Matthias Debus ein paar Arrangements über „Ring“-Motive. Und jetzt belebten die beiden gemeinsam mit Schlagwerker Erwin Ditzner das Projekt noch einmal neu und gingen mit den „Motiven des Richard W.“ auch schon ins Aufnahmestudio. Die CD soll im Frühsommer erscheinen, live konnte man die drei schon jetzt im Hack-Museum erleben. Die drei Jazzer näherten sich dem Bayreuther Meister erst mal mit respektvoller Zurückhaltung, Lehman ließ auf der Klarinette Motive aus der „Rheingold“-Ouvertüre erklingen, ein vorsichtiges Schweben zwischen Ton und Stille, irgendwann grollend grundiert von Debus’ gestrichenem Kontrabass. Ditzner saß in den ersten 20 Minuten nur daneben und lauschte. Erst später durfte er perkussive Dynamik ins musikalische Geschehen bringen. Debus hatte die Sache mit den Leitmotiven eingangs in einem musikwissenschaftlichen Exkurs erläutert. Ihm war offenbar wichtig, dass die Zuhörer verstehen, was hier passiert. Von den 261 Leitmotiven des „Ring“ hatte man einige ausgewählt und unterschiedlich arrangiert. Manche Motive blieben gut erkennbar, wurden umspielt, variiert, immer wieder wiederholt. Andere waren nur flüchtiger Ausgangspunkt für Improvisationen, die weit wegführten zu klagendem Blues, stampfendem Art Rock und funkensprühendem Free Jazz. Besonders Lehmann nahm sich das Wagner-Material genüsslich vor, zerbiss und zerdehnte die Töne auf dem Tenorsaxophon, ließ melodische Phrasen in heißeren Eruptionen zerbersten, balancierte zwischen Ton, Schrei und Geräusch, um im nächsten Moment zurückzukehren zu einem Klangbild voll zärtlicher Poesie. Debus benannte die Motive, so dass sich jeder Zuhörer seinen Assoziationen hingeben konnte. Das führte von „Natur“ und „Regenbogen“ zu „Drache“, „Tod“ und „Götterdämmerung“ und wieder zurück zu den sanft wogenden „Wellen“ des Rheins. Das bekannte Motiv des „Walkürenritts“ war natürlich auch dabei, und als Zugabe gab’s das „Liebesentzugsmotiv“. „Wagner hätte bestimmt keine Zugabe gegeben“, stellte Debus noch fest. Dicke Freunde sind der Jazz und Richard Wagner halt immer noch nicht.

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