Ludwigshafen Nicht alle sind so

Sie hat ihren eigenen YouTube-Kanal, der mittlerweile mehr als drei Millionen Aufrufe verzeichnet. Auch in TV-Comedy-Shows wie „NightWash“ und „StandUpMigranten“ ist sie vertreten. Jetzt war die Komikerin Idil Baydar mit ihrem Programm „Deutschland, wir müssen reden!“ zu Gast im Mannheimer Capitol.

Der gebürtigen Niedersächsin, die seit über 20 Jahren in Berlin lebt und arbeitet, ist Mannheim nicht fremd. Sie spielte im Vorprogramm, als Bülent Ceylan im Juli drei Tage nacheinander im Ehrenhof des Schlosses auftrat. „Mannheim, du bist hier drin“, erklärte sie denn auch im Capitol, indem sie auf die Stelle ihrer Brust deutete, wo das Herz schlägt. Ihre Show war ganz ähnlich wie die im Sommer, nur fand sie jetzt vor erheblich weniger Zuschauern statt. Das Capitol war nicht einmal zur Hälfte besetzt. Wer da war, erlebte ein 75 Minuten kurzes, aber knackig-pralles Programm, in dem Idil Baydar als Migranten-Ghettobraut Jilet Ayse, als Berliner Hausfrau Gerda Grischke und zuguterletzt als Idil selbst auf der Bühne stand. Ihre karikaturesken Figuren Ayse und Grischke kommen aus Berlin-Neukölln. Baydar selbst ist als Tochter türkischer Einwanderer in Celle geboren und aufgewachsen und besuchte eine Waldorfschule. Im Alter von 16 Jahren zog sie mit ihrer Mutter nach Berlin, wo sie, die gebürtige Deutsche, sich, anders als früher in Celle, zahlreichen Pauschalurteilen gegenüber Türken ausgesetzt sah. Die mittlerweile 39-Jährige hat als Schauspielerin im Maxim-Gorki-Theater wie in den Sophiensälen gespielt und als Sozialpädagogin in Berliner Brennpunktschulen und Jugendprojekten gearbeitet. Was sie da erlebt hat, packt sie in ihre Neuköllner Bühnen-Originale. Als Jilet Ayse betritt sie die Bühne im Capitol mit ihrem so schlichten wie eingängigen Song „Bam, auf die Fresse!“ Im groß gemusterten Hausanzug und mit blondierten, hochtoupierten Haaren berichtet sie von ihrer Familie, den Brüdern Hikmet und Fikret, ihrer Schwester Aysegül, einer viel zu strebsamen „Integrationsnutte“, wie sie findet, und ihren Eltern. Wenn die Mutter wütend den Hausschuh durch die Wohnung schleudert und der Vater schnell die Hand am Dönermesser hat, lernen die deutsch-türkischen Kinder sich zu bücken, auszuweichen und schnell zu rennen. „Was kommt raus? Mesut Özil.“ Als Gerda Grischke trägt Baydar eine blonde Lockenperücke, einen geblümten Kittel und Brille. „Brille ist immer deutsch. Weil unsere Leute lesen“, weiß die Hausfrau, die über Kanaken und Molukken in ihrem Neukölln lästert: „Das ganze Stadtbild ist versaut. Nur Dunkle.“ Woher jemand kommt, will sie nur hören, damit sie weiß, wohin er abgeschoben gehört. Zu den Ayses besteht eine unfreiwillige Verbindung, denn Gerdas Sohn Matthias ist in Aysegül verliebt. Anti-Integrationsfiguren sind Ayse wie Grischke. Am Ende, als Zugabe, kommt Idil Baydar ganz als sie selbst auf die Bühne. „In einer Nicht-Rolle“, wie sie sagt, in Jeans und Sweatshirt, mit langem, offenem Haar. „Ich habe Figuren kreiert, die emotional ein bisschen wehtun“, erläutert sie. „Weil das ist das, was wir machen, jeden Tag.“ Die Menschen, besonders die mit ausländischen Wurzeln, würden nicht als Individuen angesehen, sondern danach beurteilt, woher sie kommen. „Aber es sind nicht alle Deutschen so, es sind nicht alle Ausländer so“, weiß sie. Und sie will nicht aufhören, Dinge zu sagen, die wahr sind.

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