Ludwigshafen Musikalische Spiralen

Das jüngste Konzert der Gesellschaft für neue Musik Mannheim hat die Begegnung mit drei unbestrittenen Größen der zeitgenössischen Musik Frankreichs gebracht: Pierre Boulez, den jeder kennt, sowie Gérard Grisey und Philippe Manoury, die jeder kennen sollte. Auf dem Programm stand Kammermusik für Bratsche solo und Live-Elektronik und Tonband, dargeboten von dem französische Meisterbratscher Christophe Desjardins und dem Soundtechniker Christophe Lebreton.

Am Ende war man sich ziemlich sicher. Dieses Konzert hätte kaum einen besseren Ort finden können als in der Galerie Zeitraum-Exit im Mannheimer Jungbusch. Gewiss, der zum Konzertsaal umfunktionierte Raum ist alles anderes als repräsentativ. Aber genau darauf kommt es einem Musiker wie Christophe Desjardins gar nicht an. Ein paar erläuternde Sätze, und schon waren die Anwesenden bei der Hand genommen. Desjardins Bratsche, eine 1730 in Venedig gebaute Goffriller, klingt herrlich, so entspannt sonor, wie man sich das von so einem Instrument erwartet. Und sie passt zu den musikalischen Zeitgenossen wie der Handschuh auf die Hand. Gérard Griseys (1998 mit 52 überraschend früh gestorben) zehnminütiger „Prologue“ aus dem Zyklus „Les espaces acoustique“ (akustische Räume) war als eine auf Wiederholung und Variation gebaute, dramaturgisch brillant auf der Obertonreihe eines tiefen E beruhende musikalische Spirale zu entdecken, in die sich die Live-Elektronik nur behutsam einmischte. Einhören war überraschend leicht. Wie auch Pierre Boulez’ für den Basler Dirigenten und Musikmäzen komponierte Geburtstagsmusik „Messagesquisse“ (skizzierte Botschaft) kein Beispiel für harte Kost für die Ohren ist. Desjardins hat das original für ein Solocello plus sechs begleitende Celli instrumentierte musikalische Anagramm auf den Namen Sacher für Bratsche und sechs weitere Bratschen bearbeitet. Wobei letztere von ihm selbst eingespielt aus sechs von Lebreton beaufsichtigten Lautsprechern erklangen – eine Art erweitertes Selbstgespräch mit fast schon geisterhaft durch den Raum irrendem Effekt. Philippe Manoury (66) gilt seit dem Tod von Pierre Boulez als Galionsfigur der französischen Musik. Seine Desjardins express auf das Instrument geschriebene siebenteilige „Partita 1“ dauert 45 Minuten, in denen sich das Spiel des Bratschers und die elektronischen Klänge fast bis zur Ununterscheidbarkeit mischen – und keine Sekunde davon war zuviel. „Die Komposition muss aus einer inneren Sehnsucht heraus geboren werden und erfordert kein Gepäck an Vorbedingungen“, hat der polyglotte Klangmagier Manoury einmal gesagt. Und wenn es je eines Beweises bedurft hätte, dass die Interaktion von akustischem Instrumenten und computergenerierten Klängen in den Händen des Meisters eine ganz natürliche Sache sind: Hier war er klingendes Ereignis. Ausdauernder Applaus.

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