Ludwigshafen Leise Kritik bei Trauermarsch für Opfer der Bluttat

Stilles Innehalten in der Comeniusstraße.
Stilles Innehalten in der Comeniusstraße.

Mit einem Trauermarsch gedachten am Sonntagmittag Freunde, Angehörige und Bürger der beiden Opfer der Oggersheimer Bluttat. Nach Angaben der Polizei liefen in der Spitze bis zu 1200 Menschen still und ungestört vom Tatort in der Philipp-Scheidemann-Straße zur Ladenzeile in der Comeniusstraße.

Angemeldet waren beim Ordnungsamt 1000 Teilnehmer. Die Veranstaltung war Fassungslosigkeit, gegossen in die Form eines ruhigen und störungsfreien Marsches. Das „Warum?“ stand einem Großteil der Teilnehmer ins Gesicht geschrieben, getarnt in Tränen und Umarmungen. Eine Antwort darauf hatte auch die Frau nicht, die den Marsch beim Ordnungsamt angemeldet hatte. „Ich wohne am zweiten Tatort und wollte einfach etwas tun“, erklärte die 33-Jährige, die ihren Namen nicht nennen wollte. „Wir wollen unsere Anteilnahme zeigen“, der Sprachlosigkeit Ausdruck verleihen.

Tatort: Ein Blutspur zieht sich durch die Philipp-Scheidemannn-Straße in Oggersheim.
Ludwigshafen

Bluttat in Ludwigshafen: Tatverdächtiger schweigt

„Man hat mittlerweile Angst, einen Schritt vor die Tür zu gehen.“ Von einer politischen Einnahme distanzierte sich die 33-Jährige: „Ich äußere mich nicht politisch oder religiös.“ Aber was sie auf rechten Seiten gelesen habe, findet sie nicht gut, sagte sie vor Beginn der ersten Schweigeminute um 12.20 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt war der erste Notruf bei der Polizei eingegangen.

Leise Kritik

Die knapp einstündige Veranstaltung blieb auch aus polizeilicher Sicht ruhig. Unterschwellig gärte es aber. „Euer bunter Schwachsinn ist nichts anderes, als brauner Terror“, hatte ein Mann seine Meinung auf den Rücken aufgeklebt. Eine Frau hatte die Namen der Opfer religiös geprägter Amokläufen auf ein Bettlaken aufgemalt, das sie sich übergeworfen hatte. „Was wäre gewesen, wenn hier ein Deutscher drei Somalier umgebracht hätte?“, wurde in mehr als einem aufgeschnappten Gesprächsfetzen gefragt. Und auch das Fehlen städtischer Repräsentanten, Verwaltungsspitze oder Ortsvorstehern, wurde beklagt. „Das ist auch eine Sache der Wertschätzung für die deutschen Opfer“, so der Tenor.

Mit Blumen und Kerzen wird der Opfer gedacht.
Mit Blumen und Kerzen wird der Opfer gedacht.

Deutlich wurde bei dem kurzen Marsch auf den Spuren des Täters aber auch, dass es dem 25-Jährigen offensichtlich nicht um ein größtmögliches Blutbad gegangen war. Hinter der Unterführung der Philipp-Scheidemann-Straße war er in der Comeniusstraße unter anderem an einer Geschäftszeile und einem Kindergarten vorbei. Und auch in der Bäckereifiliale mit angeschlossenem Café hätte er bei der Suche nach weiteren Opfern noch größeres Leid anrichten können. Aus diesem Grund geht die Polizei nicht von einem Amoklauf aus.

Hartnäckige Gerüchte

Eine Sprecherin räumte auch mit dem hartnäckigen Gerücht auf, der tatverdächtige Somalier sei aus dem Krankenhaus geflohen. Nachfragen besorgter Anrufer sind Ende voriger Woche erneut dementiert worden. Grund für diese Fehlinterpretation sei ein offensichtliches Missverständnis: „Frankenthaler Kollegen haben am Freitag per Hubschrauber nach flüchtigen Tätern gesucht“, informierte die Sprecherin. Die flüchtigen Einbrecher hätten verhaftet werden können. „Zur Tat in Ludwigshafen hatte das keinen Bezug.“ Trotzdem kochte auch auf dem Trauermarsch die Gerüchteküche weiter hoch.

Eindrucksvoll war der Auftritt der Motorradfreunde Trikolore aus dem Hemshof. „Wenn in Ludwigshafen so etwas passiert, dann wollen wir auch unsere Anteilnahme zeigen“, erklärte Udo Berwanger von den Motorradfreunden. Genau darum ging es allen Teilnehmern an dem Marsch. Egal ob mit Blumen, Kerze oder in schwarzer Trauerkleidung und mit Tränen in den Augen.

Der Tatort in der Philipp-Scheidemann-Straße.
Der Tatort in der Philipp-Scheidemann-Straße.

Wie mehrfach berichtet, hatte der 25-jährige Verdächtige am Dienstagmittag zwei Männer mit einem 30 Zentimeter langen Küchenmesser getötet. Einer starb durch Stiche in den Brustkorb, einer durch einen Stich in den Hals. Dem 20-Jährigen trennte der Täter anschließend einen Unterarm ab und warf das Körperteil auf den Balkon seiner Ex-Freundin, die in der Nähe wohnt. Diese hatte sich vor kurzem von dem Somalier getrennt. Dass sich Täter und Opfer kannten oder in einer Beziehung zueinander standen, gilt nach wie vor als unwahrscheinlich.

Andacht am Dienstag

Die Stadtverwaltung hat unterdessen eine interreligiöse Gedenkandacht für die Opfer angekündigt. Mit der evangelischen und katholischen Kirche wird sie am Dienstag, 12.30 Uhr, in der Christ-König-Kirche gestaltet. Von 12.20 bis 12.30 Uhr – der Tatzeit vorigen Dienstag – sollen stadtweit die Kirchenglocken läuten. Ab 12.30 Uhr ist die Bevölkerung zur Andacht mit kurzen Textimpulsen, Gebeten und Orgelmusik in der Kirche willkommen. Dort können auch Kerzen entzündet werden, die Notfallseelsorge steht für Gespräche bereit.

Ein Spendenkonto für die Familien der Opfer wird derzeit eingerichtet. Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (SPD) steht in engem Kontakt zu den Angehörigen.

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