Ludwigshafen Gibt es 2017 wieder einen neuen Harry Potter?

Keine großen Überraschungen hat der Buchhandel im Weihnachtsgeschäft bereitgehalten. Das zeigt sich an den überregionalen Bestsellerlisten ebenso wie an der Liste der hiesigen regionalen Buchhandlungen im Dezember. Der „neue“ Harry Potter und die Neuheiten, die im Herbst zur Frankfurter Buchmesse auf den Markt gekommen sind, bestimmen das Bild. Keine große Überraschung bietet auch der Blick auf die meistverkauften Bücher des Jahres 2016 in Deutschland: Harry Potter, Harry Potter, Harry Potter.

Keine Überraschung ist es, dass Joanne K. Rowlings „Harry Potter und das verwunschene Kind“ die Liste der Jahresbestseller in Deutschland anführt. Eine Überraschung aber ist es, dass ein Theaterstück – und dann noch nicht einmal ein übermäßig gelungenes – solch einen reißenden Absatz findet. Eine Überraschung war es außerdem, als das Stück im Hochsommer in England herauskam. Wie muss der Verlag seine millionenschwere Erfolgsautorin bekniet haben, doch noch eine Fortsetzung der lukrativen Kinderbuchreihe zu schreiben! Der mit ihren auch Erwachsene ansprechenden Büchern um den Zauberlehrling Harry Potter reichgewordenen Rowling wurden gleich zwei erfahrene Theaterleute an die Seite gestellt. Und um noch weiteres Kapital aus dem Zauber zu schlagen, kam dann auch noch der Film aus dem Harry-Potter-Umkreis „Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind“ in die Kinos. Er soll nur den Anfang einer fünfteiligen Reihe um den Magizoologen Newt Scamander bilden. Harry Potter ist eben Gold wert. Über Jahre hatte sich Rowling standhaft geweigert, den Zauberlehrling wieder zum Leben zu erwecken. Unter dem Pseudonym Robert Galbraith veröffentlichte sie Krimis, zuletzt das ebenfalls im vergangenen Jahr auf Deutsch erschienene „Die Ernte des Bösen“ (Career of Evil, 2015). An den Erfolg ihrer Kinderbuchreihe konnte sie damit freilich nicht anknüpfen. Derzeit schreibe sie an zwei neuen Büchern, ließ die 51-Jährige noch Ende des vergangenen Jahres wissen. Eines soll unter ihrem Pseudonym, das andere unter ihrem tatsächlichen Namen erscheinen. Wann die beiden Bücher fertig sind und ob eines wieder ein Harry-Potter-Roman sein wird, verriet sie allerdings nicht. Elena Ferrante ist wahrscheinlich das Pseudonym der Übersetzerin Anita Raja. Mit „Meine geniale Freundin“ belegt sie Platz vier der Jahresbestsellerliste. Noch im Januar soll der zweite Teil ihrer Roman-Tetralogie, „Die Geschichte eines neuen Namens“, auf Deutsch erscheinen, im Laufe des Jahres der dritte Teil. Platz zwei auf der Jahresbestsellerliste des „Spiegel“ nimmt Sebastian Fitzeks Psychothriller „Das Paket“ ein. Er war im Dezember auch hier in der Region sehr gefragt. Und während im Online-Handel bei Amazon ebenfalls Rowlings „Harry Potter“ am häufigsten bestellt wurde, nimmt den ersten Platz im stationären Handel bei der Thalia Verlagsgruppe in Deutschland John Streleckys Erzählung über den Sinn des Lebens in „Das Café am Rande der Welt“ ein. Simon Marshall, Leiter der Thalia-Filiale auf den Planken, kann diese erstaunliche Nachfrage nach dem Buch des Amerikaners auch für seine Niederlassung nur bestätigen: gleichbleibend hohe Verkaufszahlen das ganze Jahr über, und das nicht erst 2016, sondern auch schon im Jahr davor. Der Verfasser verspricht eben Halt und Orientierung in einer sinnentleerten Welt. Verlässliche Umsatzzahlen des Weihnachtsgeschäfts liegen den Buchhändlern noch nicht vor. Etwa gleich zum Vorjahr schätzen die meisten ihn ein. Joachim Schwender von Pro Buch in der Ludwigstraße führt „eine spürbare Besserung“ darauf zurück, dass die Buchhandlung Dr. Kohl in seiner nächsten Nähe im Sommer 2016 geschlossen hat. Von Denis Scheck lässt sich eine distanzierte Haltung zum Weihnachtsgeschäft und zum Bestseller-Rummel überhaupt lernen. „Das Meistverkaufte ist das Gegenteil von Haute Couture“, sagte er sehr treffend in einem Interview mit dem Evangelischen Pressedienst. „Möchten Sie einen von Deutschlands meistverkauften Pullovern tragen?“ Von Schecks Empfehlungen zu Weihnachten findet sich auf der hiesigen Bestsellerliste nur Christoph Ransmayrs neuer Roman. Dass jedoch selbst der treffsicherste Literaturkritiker nebenbei schon einmal eine Stilblüte pflücken kann, bewies er, als er in dem Interview über seinen Jack Russell Terrier und dessen Festmahl verlauten ließ: „Stubbs steht auf Wild und freut sich auf ein Stückchen vom selbstgeschossenen Rehrücken.“ Simon Marshall von der Mannheimer Thalia-Filiale empfiehlt den Roman „Old School“ von John Niven. Darin überfallen vier ältere Damen eine Bank und flüchten durch Frankreich bis ans Mittelmeer. „Sehr lustig, viel schwarzer Humor“, verspricht Marshall. Er gibt zwar zu, dass der Roman auf eine Verfilmung hin angelegt ist. Aber er mag es eben, „wenn Charaktere nicht so stereotyp, so eindimensional sind. Wenn ein Charakter auch mal ’ne Überraschung hat.“

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