Ludwigshafen Gezwitscher ohne Vögel

„Willkommen in der Ornitholgischen Fakultät“ begrüßte der Flötist Wolfgang Wendel das zahlreich erschiene Publikum zum diesjährigen „Kultur in der Backstubb“-Konzert in der Oggersheimer Notwende-Siedlung. Um Vögel ging es also an diesem Abend, um die Beschäftigung von Komponisten mit dem Gesang unser gefiederten Freunde.

Wie schön, dass das Wetter mitspielte und die Veranstaltung im Rahmen des Ludwigshafener Kultursommers in der freien Natur, im passenden Ambiente des Hofes der ehemaligen Bäckerei Wendel stattfinden konnte. Reale Vögel gesellten sich nicht dazu, aber was Wolfgang Wendel und seine beiden taiwanesischen Gäste, die Koloratur-Sopranistin Yen-Yin Chu und die Pianistin Ya-Wen Chuang, zu Gehör brachten, war auch angetan, das Herz der Musikfreunde zu erfreuen. Wolfgang Wendel studierte in Freiburg bei Robert Aitken, dem „Papst“ des avantgardistischen Flötenspiels, und wurde selbst ein weltweit renommierter Flötist, vor allem auf dem Gebiet der zeitgenössischen Musik, aber auch im klassischen Repertoire und im Cross-Over-Bereich. Er konzertiert häufig in Taiwan, wo sein Bruder eine „German Bakery“ betreibt, und lernte dort viele großartige Musiker kennen, unter anderem seine beiden Partnerinnen, mit denen er in der Notwende auftrat und mit denen er sich vor drei Jahren zu einem Trio zusammengeschlossen hat. Beide Künstlerinnen haben einen Teil ihrer Ausbildung in Europa absolviert und von daher auch eine Verbindung zur abendländischen Kultur. Ya-Wen Chuang, die schon mehrmals in der „Backstubb“ aufgetreten ist, hat in Belgien studiert und insgesamt zehn Jahre dort verbracht. Auch Yen-Yin Chu hat nach dem Grundstudium in der Heimat an der Musikhochschule Dresden studiert. Während ihrer Zeit in Deutschland war sie Mitglied der Bach-Akademie Stuttgart und des Dresdener Kammerchores. Der vielgestaltige, verzierungsreiche Gesang der Vögel, die Olivier Messiaen als die „größten Musiker auf Erden“ bezeichnete, hat zahllose Komponisten aus unterschiedlichen Epochen animiert, sich diesem auch kompositorisch zu nähern. Bei den Franzosen vor allem, aber auch in England, weniger in Deutschland, wo man sich lieber dem Schweren und Tiefen zuwandte. Die Flöte ist nun das Instrument, das in Klang und Beweglichkeit dem Gesang der Vögel am Nächsten kommt, ebenso wie der Koloratursopran bei den Singstimmen. Naheliegend also, dass diese Kombination hier vertreten war. Natürlich ahmen Komponisten gerne das Zwitschern, das verzierungsgesättigte Singen der Vögel nach. Das tat schon Georg Friedrich Händel in der Arie „Sweet Bird“ aus dem Oratorium „Il Penserioso“. Dazu braucht es eine sehr geläufige Kehle. Yen-Yin Chu hat sie, bewältigte sicher die schwierigen Koloraturen, zeigte kraftvolle Höhen. Herrlich sensibel, differenziert mit feinsten Nuancen sang sie das „Lied „Rossignol mon mignon“ von Albert Roussel. Ausdrucksvoll und schön gestalte sie auch das beschwingte „The Gypsy and the Bird“ von Julius Benedict, das melismenreiche „Rossignols amoureux“ von Jean Philippe Rameau oder ein Volkslied des taiwanesischen Paiwan-Stammes. Ausgelassen zelebrierte sie schließlich das Couplet „Mein Herr Marquis“ aus der „Fledermaus“. Wunderbar das präzise Zusammenwirken zwischen ihr und Wolfgang Wendel in den zahlreichen heiklen Unisono-Passagen. Wendel erwies sich nicht nur als exzellenter Mitspieler bei den Gesangsnummern, sondern auch als großartiger Kammermusiker, im impressionistischen „Pan et les Oiseaux“ von Jules Mouquet, im auf der chinesischen Dizi-Flöte gespielten Lied „Flug des Rebhuhns“, nicht zuletzt aber in „Le Merle Noir“ von Olivier Messiaen. Veritable Neue Musik in einem vorwiegend leichten Programm, aber das Stück des größten Ornithologen unter den Komponisten war in diesem Kontext unverzichtbar, und es funktionierte bestens: Dank der Einführung durch Wolfgang Wendel und der musikalischen Umsetzung durch Wendel und Ya-Wen Chung wurde diese Kombination aus präzise abgelauschtem Vogelgesang, konstruktivistischen Elementen und zeitgenössischen Spielweisen zum Erlebnis. Nicht nur hier zeigte sich Ya-Wen Chung als exzellente, in allen Stilarten bewanderte Pianistin, die sich aufs Beste mit ihren musikalischen Partnern verstand. Spritzig ihr Solobeitrag mit dem Kopfsatz aus Beethovens „Kuckuck“-Sonate op. 79. Köstliche Zugaben gab es mit Adolphe Adams Koloratur-Variationen über Mozarts „Ah vous dirai je Maman“ und „La Paloma“.

x