Ludwigshafen „Freiheit ist nicht mehr selbstverständlich“

„Nach der Freiheit“ lautet diesmal das provokante Motto der Schillertage.
»Nach der Freiheit« lautet diesmal das provokante Motto der Schillertage.
„Nach der Freiheit“ lautet diesmal das Motto der Schillertage. Das ist natürlich provokativ gemeint, für wie gefährdet halten Sie unsere Freiheit? Kosminski:

In manchen Ländern stehen durchaus Grundwerte zur Disposition, der Wert der Freiheit scheint heute nicht mehr selbstverständlich. Als wir uns im Dezember dieses Motto überlegt haben, da musste man noch befürchten, dass in Österreich, Holland und Frankreich rechtsextreme Parteien gewinnen. Das hat sich nach den Wahlen nun etwas entkrampft, aber unter anderem in Osteuropa stellt sich weiterhin die Frage: Wie sollen wir leben? Und dann ist da noch Trump. Ein solches Motto soll einem Festival natürlich auch eine thematische Klammer geben, eine Stoßrichtung. Klar hat sich die politische Lage in Polen, Ungarn oder der Türkei verändert, aber ist wirklich in Deutschland die Freiheit bedroht? Brux: Als wir das Festival geplant haben, da waren die Erfolge der AfD noch beunruhigend, die Wahlprognosen sagten einen heftigen Zulauf voraus, in Deutschland herrschte ein extremes Klima. Mit der AfD in den Parlamenten würde sich schon etwas verändern, auch fürs Theater. Man muss befürchten, dass AfD-Abgeordnete im Stadtrat in den Theaterspielplan hineinreden wollen. Kosminski: Es gab ein Foto vom Treffen der europäischen Rechtspopulisten: Le Pen, Wilders, Orban, Frauke Petry und andere standen beisammen, und es galt als wahrscheinlich, dass viele Menschen sie wählen. Auch wenn es jetzt weniger waren, finde ich es immer noch beängstigend, dass Millionen Menschen Rechtspopulisten wählen. Brux: Die Flüchtlingskrise hat dafür gesorgt, dass die Diskussion über die rechte Politik aus dem Fokus geraten ist. Jetzt geht es vor allem um den Fortbestand von Europa. Kosminski: Das Thema Europa war ja bislang zumeist wirtschaftlich geprägt, jetzt haben wir endlich wieder eine Debatte über die europäischen Werte. Es gab eine Leerstelle in der Debatte, jetzt sehen wir wieder die Vorteile, die Europa jenseits wirtschaftlicher Fragen bietet. Um Ihr Festivalmotto aufzugreifen, könnte man Schiller als einen Dichter „vor der Freiheit“ bezeichnen. Er wollte freiheitliche Grundrechte in sein damals feudalistisches deutsches Vaterland holen. Welchen Freiheitsbegriff hatte er? Brux: Schiller hatte sicher einen demokratischen Freiheitsbegriff, den er sich auch aus der Französischen Revolution ableitete, das Terrorregime, in den diese mündete, durchaus mitdenkend. Er glaubte aber auch an den aufgeklärten Monarchen, der freiwillig und unblutig Freiheiten gewährt. Was kann uns Schiller da heute noch mit seinen Texten sagen? Kosminski: Wir haben ja verstärkt ein produzierendes Festival, geben selbst Theaterprojekte in Auftrag und laden nicht nur Gastspiele ein. In manchen Jahren ist letzteres auch gar nicht so einfach, da herrscht einfach ein Mangel an guten Aufführungen. Brux: Wir wollen zeigen, was an ästhetischen Theaterformen und Theaterspielweisen präsent ist. Da setzen wir natürlich auf bestimmte Regisseure, von denen wir uns im Umgang mit Schiller etwas Neues oder Interessantes erwarten, haben in der Vergangenheit zum Beispiel Calixto Bieito gewinnen können, sich mit Schiller zu beschäftigen. Spielt der Klassiker Schiller immer noch eine wichtige Rolle im deutschen Theater? Brux: Schiller gehört zum Stadttheater-Repertoire genau wie Kleist und Lessing, mit Abstrichen auch Goethe. Kosminski: Alle großen Regisseure wie Kriegenburg, Kimmig, Stemann, Breth oder Castorf haben Schiller inszeniert. Brux: Es gab auch schon Schillertage mit wenig Schiller und vielen Schiller-Projekten. Als Festivalmacher ist man manchmal vielleicht überambitioniert, fragt vor allem: Wo sind die neuen „Räuber“. Aber wir haben gerade von jungen Zuschauern, etwa unseren Stipendiaten bei den Schillertagen, auch zu hören bekommen, wo denn die originalen Stücke bleiben. Da war auch Lust auf Geschichten, Lust auf Text, auf Schillers Sprache. Was erzählen die Schiller-Inszenierungen, die Sie diesmal eingeladen haben? Kosminski: Kriegenburg setzt in seiner Münchner Inszenierung von „Maria Stuart“ extrem auf die Sprache, zeigt uns Schiller von der Sprache her in Höchstform, eine eher klassische Aufführung. Bei Bachmanns „Wilhelm Tell“ aus Basel darf man sich wie bei Asterix und Obelix fühlen, Sprache wird da zum rhythmisierten Rap, was toll funktioniert. Brux: Thalheimers „Wallenstein“ kommt auch ohne aktuelle politische Bezüge aus, schildert Krieg als große Tragödie voller Gräueltaten, großes archaisches Theater. Politisch sind das Gorki Theater und „Je suis Jeanne d’Arc“ mit Anspielungen auf die Terroranschläge von Paris und unsere „Demetrius“-Produktion, wo Schillers Stück als Blaupause für revolutionäre Prozesse dient. Für eine weitere eigene Produktion des Nationaltheaters haben Sie den kroatischen Regisseur Oliver Frljic eingeladen, er wird keinen Schiller inszenieren, sondern ein eigenes Stück mit dem Titel „Second Exile“. Warum dieser Regisseur? Brux: Da geht es um das Thema Freiheit/Unfreiheit. Frljic war Theaterleiter in Rijeka, hatte sich politisch positioniert, dann kam ein politischer Wechsel in Kroatien, und er wurde zum Staatsfeind erklärt. Über Schiller haben wir gar nicht mit ihm geredet. Frljic ist jemand, der sich extrem politisch verhält, er wird sich in seinem Stück mit dem Erstarken der politischen Rechten in Europa beschäftigen, und das auch anhand der eigenen Biografie. Termine und Karten —19. Schillertage vom 16. bis 24. Juni im Mannheimer Nationaltheater —Programm: www.schillertage.de, Karten gibt es unter der Telefonnummer 0621/1680150 oder im Internet unter www.nationaltheater-mannheim.de.

Sind in Mannheim zum sechsten Mal für das Programm der Schillertage verantwortlich: Schauspiel-Intendant Burkhard Kosminski (lin
Sind in Mannheim zum sechsten Mal für das Programm der Schillertage verantwortlich: Schauspiel-Intendant Burkhard Kosminski (links) und sein Stellvertreter und Chefdramaturg Ingoh Brux.
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