Ludwigshafen Fast alles wie es immer war

Heute hier, morgen dort und deshalb auch im Mannheimer Capitol: Hannes Wader ist immer noch unterwegs. Mit inzwischen 72 Jahren ist er einer der letzten Vertreter der alten Zunft der linken Liedermacher. Und noch immer bietet Wader Politisches und Privates und keinerlei Überraschungen.

Wenn Hannes Wader sein Konzert mit seiner Folkhymne „Heute hier, morgen dort“ anfängt, haben seine Zuhörer sofort das Gefühl von Vertrautheit. Seit 1972 fängt er so an, nur kurz hat er mal einen anderen Anfang probiert – weil nichts bleibt, wie es war. Aber dann wurde es doch wieder wie immer. Das Stück ist ein Volkslied geworden. Legionen von Gitarristen zupfen es, unvorstellbar, Fingerpicking auf der Gitarre zu lernen, ohne dieses Lied gespielt zu haben. Surreal und düster geht es weiter, mit dem „Hotel zur langen Dämmerung“, wo sich der Atem toter Seelen unterm Dach staut und so tief in Hirn und Lungen frisst, „dass du dieses Haus nur sterbend oder tot wieder verlässt.“ Hannes Wader hat aber schon einiges überlebt, wie etwa die 80 filterlosen Gitanes, die er früher am Tag geraucht hat. Dass selbst seine Familie inzwischen vorsichtig nach Patientenverfügung und Testament fragt, amüsiert ihn. Dass er daraus ein Lied macht, liegt nahe. Das habe schon 30 Strophen, und es würden immer mehr, weil es ihm Spaß mache, „über das Abnippeln zu singen“. Im Capitol singt er nur die besten Strophen, aber auch die haben es in sich. Schonungslos denkt Wader darüber nach, im Fall einer beginnenden Demenz sich wie Gunter Sachs rechtzeitig die Kugel zu geben, um niemandem zur Last zu fallen. Tief schwarz ist der Humor, wenn er auf dem Sterbebett noch in die NPD eintreten will – damit einer von denen abkratze und kein linker Demokrat. Gelegentlich lässt Wader auch amüsante Selbstironie durchscheinen. So erzählt er, er habe sein Lied über eine fiktive griechische Insel im Sieben-Achtel-Takt geschrieben, um besonders authentisch zu klingen. Allerdings habe er später erfahren, dass in der griechischen Folklore dieser Takt völlig unbekannt sei. Wader zupft im typischen Fingerpicking-Stil, den er als einer der ersten deutschen Musiker populär gemacht hat. Bei seinen eigenen Stücken bringt er Unmengen von Text dazu unter. „Heute hier, morgen dort“ ist dabei noch eines der elegantesten und flüssigsten Lieder. Wader hat dafür den Song „Indian Summer“ des heute unbekannten Amerikaners Gary Bolstad neu getextet. Wader kommt aus kleinen Verhältnissen. Liedermacher wurde er Mitte der 1960er Jahre als Student für Grafikdesign in Berlin, wo er den Chansonnier George Brassens und natürlich Bob Dylan für sich entdeckte. Ärger bekam er, als er während einer Tour seine Wohnung einer Frau überließ, die sich später als RAF-Terroristin Gudrun Ensslin entpuppte. Auch der Eintritt in die kommunistische Partei wirkt sich nicht förderlich auf seine Rundfunkpräsenz aus. Wader hat aber auch andere Seiten: Er singt Schubert-Lieder und entreißt alte Volkslieder dem deutschtümelnden Muff. In Mannheim beließ er es bei eigenen Songs aus 50 Bühnenjahren.

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