Ludwigshafen „Eine Rockoper mit unseren besten Songs“

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Jethro Tull ist nicht nur der Name einer Band, es war der Name eines britischen Pioniers der Agrarwissenschaft, der von 1674 bis 1741 gelebt hat. Das multimediale Musiktheater „Jethro Tull – performed by Ian Anderson“ versetzt den Agronom nun in die Gegenwart. Vor dem Auftritt in Mannheim sprach Ian Anderson über den Namensgeber der Band und sein Konzept der Show.

Mr. Anderson, wie sind Sie denn darauf gekommen, sich jetzt mit dem „echten“ Jethro Tull, der historischen Figur zu beschäftigen?

Das war 2014, da war ich in Norditalien unterwegs und habe dort die bebauten Felder und den Anbau von Feldfrüchten gesehen. Da ist mir wieder Jethro Tull eingefallen, und ich wollte mal nachsehen, was der damals so gemacht hat. Ich wusste nur, dass er sich mit Agrarproduktion befasst hat, dass er eine Saatmaschine erfunden hat und ein Buch geschrieben hat. Dafür ist er auch durch Italien und Frankreich gereist, hat sich alles angesehen und seine Gedanken aufgeschrieben. Und dann hat er ein paar recht radikale Ideen zu Landwirtschaft und Viehhaltung entwickelt. Und er war Musiker. Tatsächlich? Ja, er spielte Orgel. Er hat seine Saatmaschine mit einigen mechanischen Teilen aus einer Orgel gebaut. Er wurde für die zweite Agrarrevolution zum wichtigsten Mann, zumindest sagen das die Geschichtsbücher in meinem Land. Die erste war vor 5000 Jahren mit dem Sesshaftwerden der Menschen, die zweite dann die Industrialisierung der Landwirtschaft. Und da war Jethro Tull einer der wichtigsten Köpfe. Und jetzt stehen wir vermutlich vor der dritten Agrikulturrevolution. Inwiefern? Wir müssen uns überlegen, wie wir mit dem Klimawandel fertig werden und zugleich die immer größer werdende Menschheit ernähren. Ohne radikal neue Wege der Nahrungsmittelproduktion wird das nicht gehen. Und das ist die Verbindung zum alten Jethro Tull? Ja. Ich wollte ihn nicht im 17. Jahrhundert, sondern in der Gegenwart erleben, im Zeitalter der Biochemie und der Gentechnik – Dinge, die uns richtig Angst machen, aber um die wir vielleicht nicht herumkommen, wenn wir mehr Menschen ernähren wollen. Ich glaube, wir sollten vor wissenschaftlichem Fortschritt nicht nur Angst haben, sondern überlegen, wie wir ihn richtig nutzen. Was wäre richtig? Wir müssen die Leute, die die Technik entwickeln, zu ethischem Verhalten bringen. Vielleicht sollte es einen moralischen Code geben, ähnlich dem Hippokratischen Eid. Das sollte natürlich auch für die Verantwortlichen in Industrie und Handel gelten, auch für Investoren und Banken. Die schlechte Seite des Kapitalismus ist doch, dass er sehr schlechte Menschen hervorbringt, wie wir spätestens seit der Finanzkrise 2008 wissen. Und das könnte noch schlimmer werden. Das sind eine Menge tiefer Gedanken. Wie machen Sie daraus einen unterhaltsamen Abend? Mir ist klar, dass die Leute nach einem harten Tag nicht ins Konzert kommen, um sich den Kopf zu zerbrechen. Ich will schon alles so präsentieren, dass die Leute zuhören, den Takt mitschlagen und die Songs wiedererkennen. Aber mir selber reicht das nicht. Ich möchte etwas, das mehr Tiefe hat, ein paar Ebenen mehr an Komplexität, etwas, das den Intellekt fordert. Aber mir ist meine Rolle als Unterhalter wohl bewusst. Das mag ich auch. Aber vielleicht gibt es ein paar Leute im Publikum, die auch etwas mehr intellektuelle Tiefe mögen. Was sollen die Zuhörer denn mitnehmen? Ich habe sicher keine Antworten, aber ich kann Fragen aufwerfen. Fragen, die ich für wichtig halte und die manche Leute beschäftigen sollten. Meine Generation und die Menschen mittleren Alters müssen sich vielleicht noch keine ernsten Gedanken um ihre Zukunft machen. Aber darüber hinaus wird es immer dringender. Und meine Generation, die nach dem Krieg Geborenen, wir sind verantwortlich für eine ganze Menge schlimmer Dinge. Vielleicht ist es meine Aufgabe, diese Fragen aufzuwerfen. Antworten muss jeder für sich finden. Ich bin kein Politiker und habe keine Lösungen zu bieten. Der Abend wurde schon verschieden beworben, als Rockoper, Musical, Konzept-Konzert – was ist das jetzt? Die Bezeichnung hängt davon ab, wo wir auftreten. Angefangen haben wir als Rockoper, aber da haben unsere Promoter gemerkt, dass das zu kompliziert zu bewerben ist. Die Show ist dieselbe geblieben, wir haben nur die Bezeichnungen geändert. Eine Rockoper ist es, weil es eine zusammenhängende Handlung gibt. Es gibt Charaktere, die Songs singen und in Kostümen ihre Parts spielen, das wird durch Rezitative zusammengehalten. Es ist aber auch ein Rockkonzert mit dem besten von der Band Jethro Tull. Aber machen Sie sich keinen Kopf, es bedeutet keine Arbeit für die Zuhörer. Lehnt Euch zurück und genießt die Show, die Szenen, die Musik. Lasst mich die Arbeit machen (lacht). Haben Sie die alten Jethro-Tull-Songs verändert? Das kommt darauf an. Meistens konnten wir eng an den Originalen bleiben. Wir haben ja im Lauf der Jahre öfter Songs verändert, und ich wollte eher wieder zurück zu den Ursprüngen. Die Texte musste ich wenig anpassen. Je nachdem, welche Figur gerade singt, sind ein paar Pronomen angepasst. Hier und da habe ich eine Strophe neu geschrieben, um dem Song einen konkreteren Bezug zur Geschichte zu geben. Termin „Jethro Tull – performed by Ian Anderson“ gastiert am Mittwoch, 23. November, um 20 Uhr im Mannheimer Rosengarten. Es gibt noch Karten an der Abendkasse. |

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