Ludwigshafen „Ein katholisch-barocker Wahnsinn“

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In München ist das Stück Kult. Am Residenztheater über tausendmal gespielt, jetzt zum Volkstheater weitergewandert, ist „Der Brandner Kaspar“ ein Dauerbrenner auf den Bühnen der bayerischen Landeshauptstadt. Außerhalb des Freistaats ist die Geschichte von dem Wilderer, der den Tod beim Kartenspiel hereinlegt, eher selten anzutreffen. Fürs Mannheimer Nationaltheater inszeniert nun Susanne Lietzow das Mundartstück. Premiere ist heute Abend im Schauspielhaus.

Sie ist zum ersten Mal in Mannheim und richtig begeistert. Wobei die Unterbringung im Wohnturm des Collinicenters vermutlich keine spontane Liebe ausgelöst hat. Aber „die Leute grüßen hier alle so nett und sind überhaupt sehr freundlich“, hat Susanne Lietzow festgestellt. Auch die Arbeitsbedingungen am Nationaltheater grenzen ans Paradiesische, acht Wochen Probenzeit hat man ihr zugebilligt. „Einen solchen Luxus hab ich schon seit Jahren nicht mehr erlebt“, sagt die Regisseurin und lacht ihr unheimlich ansteckendes Lachen. Man kann sie sich eigentlich nur als Komödienregisseurin vorstellen. In ihrer Vita finden sich tatsächlich viele Komödien, aber auch Horvaths „Geschichten aus dem Wienerwald“ oder Hauptmanns „Ratten“. Nun also in Mannheim „Der Brandner Kaspar und das ewig’ Leben“, wie Kurt Wilhelm die Bühnenfassung einer Erzählung seines Vorfahren Franz von Kobell genannt hat. Die Urfassung von 1871 erzählt von einem 74 Jahre alten Büchsenmacher und Jagdgehilfen am Tegernsee. Mit ein wenig Wilderei bessert der lebenslustige Alte sein karges Einkommen auf. Als der Tod in Gestalt des „Boanlkramers“ in seiner Hütte auftaucht und ihn abholen will, macht er diesen erst mit Kirschwasser betrunken und ergaunert sich dann beim Kartenspiel weitere 18 Lebensjahre. Aber kurze Zeit später verunglückt seine geliebte Enkelin tödlich, und der Brandner kann sich an seiner vorübergehenden Unsterblichkeit nicht mehr recht erfreuen. Im Himmel ist der Fall inzwischen auch ruchbar geworden und der Tod wird aufgefordert, seinen Fehler auszubügeln. Weil der an seine Spielschuld gebunden ist, greift er zu einer List und lockt den Brandner zu einem Schnupperbesuch in den Himmel. Der vom Leben inzwischen enttäuschte Alte findet den Blick ins Paradies so vielversprechend, dass er gleich dableiben will, aber so einfach geht das natürlich nicht. Eine „Tragikomödie“ nennt Susanne Lietzow diese krude Geschichte aus den bayerischen Bergen. Und dieses Stück hier in Mannheim zu machen, sei schon eine „absurde Idee“ gewesen. Der Mannheimer Schauspieldirektor Burkhard C. Kosminski hatte diese Idee, und die Regisseurin sofort Lust, diese zu realisieren. Damit es „keine rein bayerische Geschichte“ wird, musste der Text überarbeitet werden, wurde eine Art Kunstdialekt geschaffen, mit dem auch die Schauspieler keine Probleme haben, von denen kein einziger aus Bayern kommt. Nichts verändert wurde dagegen am „bayerischen Setting“, verspricht Lietzow, die dem Stück die Qualitäten eines „alpenländischen Faust“ zutraut. Zusammenbringen muss sie dabei die beiden doch sehr unterschiedlichen Teile des Stücks, nämlich das Wildererdrama, das schon Kobells Erzählung ausmacht, und den „katholisch-barocken Wahnsinn“ der Szenen im Himmel, die erst Kurt Wilhelm in seiner Bühnenfassung dazuerfunden hat. Der Tod ist für Susanne Lietzow das zentrale Thema des Stücks: „Das Sterben als größte Ungerechtigkeit und das aussichtslose Ankämpfen dagegen“. Dabei findet sie die Figur des Todes überaus spannend, „eine Figur mit melancholischen Zügen, umgeben von unendlicher Einsamkeit, eine wundervolle Charakterstudie“. Vom Kirschwasser beflügelt, schüttet der Tod dem Brandner sein Herz aus, dass sich keiner freut, ihn zusehen, die Leute ihm die Arbeit so schwer machen, obwohl er sie doch ins Paradies bringt. In der letzten Verfilmung des Stoffes 2008 durch Joseph Vilsmaier spielte Franz Xaver Kroetz den Brandner und Bully Herbig den „Boanlkramer“, in Mannheim übernehmen Reinhard Mahlberg und Boris Koneczny die Hauptrollen. Termine Premiere heute um 19.30 Uhr im Schauspielhaus des Mannheimer Nationaltheaters. Weitere Vorstellungen am 10., 16. und 30. Juni sowie am 8. Juli.

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