Ludwigshafen „Ein dunkelschwarzes Märchen“

Probenszene mit Anke Schubert, Julius Forster, Carmen Witt, Stefan Reck, Almut Henkel (von links).
Probenszene mit Anke Schubert, Julius Forster, Carmen Witt, Stefan Reck, Almut Henkel (von links).

Zum dritten Mal ist die österreichische Regisseurin Susanne Lietzow am Mannheimer Nationaltheater tätig. Den „Brandner Kaspar“ hat sie hier als bajuwarischen Spaß mit aktuellen Politikbezügen inszeniert, die Shakespeare-Komödie „Wie es euch gefällt“ als ernüchternd unromantische Liebesverwirrung im versifften Stadtwald. Nun hat sich die Tirolerin mit Ferdinand Raimunds „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ ein österreichisches Theaterheiligtum vorgenommen. Premiere ist am Samstag.

„Raimund und Nestroy – das ist die Ursuppe österreichischer Dramatik“, stellt Susanne Lietzow gewohnt fröhlich beim Gespräch gleich mal fest und lobt Raimunds „skulpturale Formulierungswut“. Natürlich ist sein auf deutschen Bühnen eher unbekannter „Alpenkönig“ in Österreich seit der Uraufführung am 17. Oktober 1828 im Wiener Theater in der Leopoldstadt aus den Spielplänen nicht wegzudenken. Dass es sich bei dem „romantisch-komischen Original-Zauberspiel“ um ein „dunkelschwarzes Märchen“ (Lietzow) handelt, hat dem Erfolg nicht geschadet. Ganz im Gegenteil. Im Zentrum des Stücks steht Herr von Rappelkopf, ein betuchter Bürger, der sich von Ehefrau, Tochter, Bediensteten und überhaupt von der ganzen Welt belogen, betrogen, bestohlen und hintergangen fühlt. Überall wittert er Heimtücke und sogar Mordkomplott, in einer einsamen Köhlerhütte, deren Bewohner er mit Geld ködert und anschließend vertreibt, will er Ruhe finden. Aber sein aufbrausendes Gebaren stört wiederum den dort ansässigen Alpenkönig, eine dunkle Sagengestalt, die sich hier aber als pragmatisch denkender Psychologe und Sozialberater entpuppt. Mit Zauberkräften und drastischen Maßnahmen bringt der Alpenkönig den Rappelkopf dazu, einer Art Therapie zuzustimmen. Der König nimmt Rappelkopfs Gestalt an und demonstriert ihm, der in Gestalt seines Schwagers Silberstein zuschauen darf, was sein cholerisches Temperament in Familie und Haushalt so anrichtet. Am Ende ist der Menschenfeind zum Menschenfreund geläutert und in der Alpenwelt können wieder Glück und Ruhe einziehen. Raimund habe sich dieses Stück quasi auf den Leib geschrieben, sagt Susanne Lietzow. Die Rolle des Rappelkopf hat er selbst mehrfach verkörpert und damit seine eigene Paranoia kurieren wollen. Raimund litt unter krankhafter Hypochondrie, war jahrelang von der Angst erfüllt, an Tollwut zu erkranken. Diese Phobie wurde ihm letztlich auch zum Verhängnis. Als Raimund im August 1836 von seinem vermeintlich tollwütigen Hund gebissen wurde, versuchte er sich auf der Reise zu seinem Arzt in Wien zu erschießen und erlag ein paar Tage später seinen Verletzungen. Gerade mal 46 Jahre war er da alt. Dass Rappelkopf im Stück durch Anschauung seines Doppelgängers geheilt werden soll, sei ein gängiges Verfahren in der Psychotherapie, sagt Susanne Lietzow. Allerdings sei das hier „eine Therapie ohne Rücksicht auf Kollateralschäden“, schließlich sei der komplette Haushalt betroffen. „Aus Zerstörung wächst hier Heilung“, aber eben auf Kosten der nächsten Mitmenschen, die nichts von der Finte des Alpenkönigs ahnen. Und was fängt man mit solch einer Geschichte heute an? Natürlich müsse man den recht ausufernden Stücktext kürzen, ein knapp zweistündiger Abend ist zu erwarten. Die vielen Lieder und Couplets werden ebenfalls in Mannheim nicht zu hören sein. Auch das Bühnenbild von Aurel Lenfert wird nicht dem Autor folgen. Statt einer „reizenden Gegend am Fuß einer Alpe, welche sich im Hintergrunde majestätisch erhebt“, wird es „eine abstrakte, eigenartige Märchenwelt“ geben, die „eher eine Seelenlandschaft“ ist, verrät die Regisseurin. In ihrer Inszenierung wolle sie „die Absurdität“ des Geschehens herausholen, wolle zeigen, wie sich das Verhalten eines wirren Despoten auf eine kleine Gesellschaft auswirkt. Schließlich seien die Opfer in diesem Fall nicht nur materiell, sonder auch emotional abhängig. Susanne Lietzow ist zur Zeit in erster Linie als Spezialistin für die Dramatik ihres Heimatlandes gefragt. „Ich absolviere gerade Österreich-Festspiele“, meint sie. Am Theater Magdeburg hat sie Thomas Bernhards „Vor dem Ruhestand“ inszeniert, in Linz Schnitzlers „Anatol“, im April folgt im Wiener Off-Theater Werk X Elfriede Jelineks bitterböse Spießer-Sex-Komödie „Raststätte“, wieder in Linz dann Horvaths „Kasimir und Karoline“. Für die politische Situation in ihrer Heimat findet sie deutliche Worte. Die Pläne der FPÖ richteten sich nicht nur gegen Flüchtlinge, sondern auch gegen die Kultur. In Oberösterreich, wo seit drei Jahren die FPÖ regiert, sei der Etat des Landestheaters Linz bereits gekürzt worden, auch gegen andere Theater, die sich kritisch geben, seien Kürzungsdrohungen ausgesprochen worden. In Mannheim ist der „Alpenkönig“ die vorerst letzte Regiearbeit von Susanne Lietzow. Schauspielintendant Burkhard C. Kosminski wechselt bekanntlich nach Stuttgart, wo dann auch eine Lietzow-Inszenierung zu erwarten ist. Termin Premiere am Samstag, 27. Januar, 19 Uhr, im Schauspielhaus des Mannheimer Nationaltheaters.

Spezialistin für österreichische Dramatik: Susanne Lietzow.
Spezialistin für österreichische Dramatik: Susanne Lietzow.
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