Ludwigshafen Digitale Freiheit, sorgenvolle Hoffnung

Der neue Bloch-Almanach enthält wieder einige Vorträge, die im Ernst-Bloch-Zentrum in Ludwigshafen gehalten worden sind. Dazu gehört auch die „Zukunftsrede“ des Internet-Kritikers Sascha Lobo. Sechs der elf Beiträge zum neuen Almanach sind nicht neu.

In seiner im November 2014 gehaltenen „Zukunftsrede“ stellt Sascha Lobo die Frage: „Was heißt digitale Freiheit?“. Er kommt zu dem Ergebnis, dass wahre Freiheit anders aussehen würde als die unter den neoliberalen Voraussetzungen des „geheimdienstlich-kommerziellen Komplexes“. Abgedruckt ist ferner die Rede, die der Theologe und Bloch-Preisträger Jürgen Moltmann vor zwei Jahren zum Jubiläum des protestantischen Kirchenbezirks Ludwigshafen über die Stadt als Ort der Hoffnung gehalten hat. In den Almanach aufgenommen wurde ferner Matthias Mayers Vortrag „Ist die Geschichte zu Ende?“. Der Privatdozent an der Universität Tübingen sprach im April 2015 über die Aktualität der Hegel-Interpretation Ernst Blochs. Der Auftritt des Sozialphilosophen Oskar Negt vor einem Jahr in Ludwigshafen hat die Herausgeber Klaus Kufeld und Frank Degler zudem veranlasst, einen Zeitungsartikel Negts von 1975 erneut abzudrucken. Darin setzt Negt sich mit Propaganda auseinander und stellt die Behauptung auf, dass der „Wärmestrom der Fantasie“ bei den Linken unterentwickelt sei. Negt will hier eine Parallele zur Zeit der Weimarer Republik erkennen, als die Nationalsozialisten sich dieses Manko zunutze gemacht hätten. Abgedruckt ist auch Ernst Blochs Aufsatz „Über das mathematische und dialektische Wesen in der Musik“ von 1925. Über die kleine Schrift, in der Bloch seine Grundsätze der Musiktheorie darlegt, hat auf dem Symposion „(Ton)Spurensuche“ im September 2014 schon eine Doktorandin von der Universität Siegen referiert. Ebenfalls schön älter ist der Beitrag von Hinrich Fink-Eitel. Der 1995 verstorbene Philosophieprofessor an der Frankfurter Universität setzte sich 1985 in einem Vortrag zum 100. Geburtstags Blochs mit der Frage auseinander, ob Hoffnung überhaupt Prinzip, das heißt ein am Anfang stehendes Erstes sein kann, wie dies Blochs „Prinzip Hoffnung“ vorgibt. Dabei bedient sich Fink-Eitel desselben Taschenspielertricks wie Bloch selbst, indem er Martin Heideggers 1927 erschienenes „Sein und Zeit“ als „Gegenentwurf“ zu Blochs Hauptwerk bezeichnet. Bloch arbeitete daran jedoch erst seit den 1930er Jahren in Reaktion auf Heideggers Werk. Heidegger setzt den Affekt der Hoffnung denn auch gerade nicht als einen eigenständigen, sondern leitet ihn wie die Furcht aus der Sorge ab. Bloch steht übrigens mit seinem „Prinzip Hoffnung“ quer zur gesamten philosophischen Tradition, die die zukunftsgerichtete Hoffnung der Angst als dem vorgängigen Vergangenheitsaffekt entgegensetzt. Neu ist ein Aufsatz des Theologen Tobias Heyden, der sehr ausführlich und umständlich Blochs Rezeption der Schriften des Mystikers Meister Eckhart nachgeht. Eine stärkere Problematisierung der Religiosität des Marxisten Bloch wäre dabei wünschenswert gewesen. In einem Aufsatz stellt der kanadische Professor Lucien Pelletier zwei Notizen des seinerzeit sehr einflussreichen Philosophen Oswald Külpe über Referate des Doktoranden Bloch vor. Ergänzend zu Negts „Propaganda“-Aufsatz lässt sich der interessante Beitrag von Marc Petersdorff über Blochs Rhetorik im Dienste seiner utopischen Intentionen lesen. In einem originellen Text stellt der Amerikaner Josh Alvizu den von Walter Benjamin sehr geschätzten fantastisch-expressionistischen Schriftsteller Paul Scheerbart vor. Der im Frühjahr gestorbene Künstler Thilo Götze Regenbogen schließlich hat die Besprechung einer Grafik Ludwig Meidners aus dem Besitz des Ehepaars Bloch hinterlassen. Eine Inventarliste der Schallplatten aus dem Nachlass von Karola und Ernst Bloch und die Fortsetzung der Karola-Bloch-Bibliographie beschließen den Band. Lesezeichen Bloch-Almanach Band 33. Herausgegeben von Frank Degler und Klaus Kufeld. Talheimer Verlag Mössingen-Talheim 2015.

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