Ludwigshafen Die Stadt muss zahlen

Mehr als drei Jahre hat sich ein Rechtsstreit zwischen dem Jobcenter Ludwigshafen und einem Hartz-IV-Empfänger über die Kosten der Unterkunft in der Stadt hingezogen. Seit Dezember 2014 steht fest: Der Kläger hat recht, die Stadt hat sich verkalkuliert. Jetzt muss sie Nachzahlungen leisten.

Was am 29. April 2011 vor dem Sozialgericht Speyer begann, hat am 1. Dezember 2014 sein Ende vor dem Bundessozialgericht in Kassel gefunden – und zwar mit der Ablehnung einer Beschwerde der Stadt Ludwigshafen. Als ein Träger des Jobcenters hätte die gern Revision gegen ein Urteil des Landessozialgerichts Mainz aus dem März 2014 eingelegt. Darin wurde sie zur Nachzahlung von Mietgeld an den Kläger verpflichtet, weil ihre Berechnungen zu den Kosten der Unterkunft aus dem Jahr 2010 „unschlüssig“ waren. Mit der Ablehnung der Beschwerde ist das Urteil des Landessozialgerichts rechtskräftig. Die Stadt muss zahlen – und hat das nicht nur in diesem einen Fall vor. Die Kosten der Unterkunft (KdU) sind der Betrag, den Jobcenter Langzeitarbeitslosen für ihre Kaltmiete sowie für Heiz- und Nebenkosten auszahlen. Weil die Mietpreise und Nebenkosten in verschiedenen Städten Deutschlands verschieden hoch sind, unterscheidet sich auch die Höhe der KdU. In Ludwigshafen wird sie in einer Richtlinie festgelegt, die unter anderem eine Mietpreisobergrenze und den Quadratmeterpreis umfasst. Im Jahr 2010 errechnete die Stadt für „angemessene“ Mietwohnungen in ihrem Beritt einen durchschnittlichen Quadratmeterpreis von fünf Euro. Das ist derselbe Betrag, den sie auch den KdU von 2008 zugrundegelegt hatte – obwohl die Mietpreise in Ludwigshafen laut Mietspiegel in den zwei Jahren gestiegen waren. Der Kläger, ein Hartz-IV-Empfänger aus dem Hemshof, war mit dieser Kalkulation nicht zufrieden und legte deshalb erst Widerspruch gegen die Bescheide des Jobcenters und später Klage vor dem Sozialgericht Speyer ein. Er obsiegte in der ersten Instanz und in der zweiten Instanz vor dem Landessozialgericht in Mainz anschließend noch einmal. Die Mainzer Richter haben in ihrem Urteil nicht nur den Quadratmeterpreis für die KdU 2010/2011 von fünf auf 5,37 Euro nach oben korrigiert, sondern auch deutliche Worte für das Berechnungsmodell der Stadt gefunden: Die Festsetzung des Quadratmeterpreises sei nicht nur „unschlüssig“, sondern schlicht „willkürlich“ erfolgt. Stadt und Jobcenter würden im Nachhinein nach einer Erklärung für die Mietpreisobergrenze suchen, die es im Vorfeld nicht gegeben habe. Eine Einlassung der Stadt, wonach sie 2010 bei fünf Euro blieb, weil diese in der vorangegangenen Richtlinie 2008 zu hoch angesetzt gewesen seien, ließ das Landessozialgericht nicht gelten. Stattdessen urteilte es, dass dieser Hinweis deutlich erkennen lasse: Die Mietpreisobergrenze sei eingangs nicht gründlich und schlüssig ermittelt worden. Das Urteil aus Mainz ist laut Christian Matthes vom Bereich Steuerung des Sozialdezernats eine Einzelfallentscheidung. Das Jobcenter sei daher nur verpflichtet, die 37 Cent mehr Kaltmiete pro Quadratmeter für die KdU des Klägers zugrundezulegen. Es gebe aber Vereinbarungen mit anderen Hartz-IV-Empfängern aus Ludwigshafen, die im selben Zeitraum Widersprüche gegen ihre Bescheide eingelegt hätten. Auch die werden in nächster Zeit voraussichtlich Nachzahlungen vom Jobcenter erhalten. Um wie viele Personen oder welchen Betrag es sich genau handelt, konnten weder Matthes noch das Ludwigshafener Jobcenter sagen. Was sich sagen lässt, ist, dass es in Ludwigshafen seit 2010 im Schnitt 8500 bis 10.000 Personen mit einem Anspruch auf KdU-Leistungen gegeben hat. Die meisten davon werden von der Fehlkalkulation aber nicht profitieren. Seit Anfang 2012 nutzt die Stadt ein neues Berechnungsmodell, und wer 2010 und 2011 nicht sofort Widerspruch gegen die Bescheide eingelegt hat, für den ist es jetzt zu spät: Sie sind mittlerweile längst unanfechtbar geworden. (yns)

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