Ludwigshafen Der Traum von drei Türmen

Wo heute ein Turm über dem Rathaus-Center thront, hätte es eigentlich so aussehen sollen.
Wo heute ein Turm über dem Rathaus-Center thront, hätte es eigentlich so aussehen sollen.

Hoch ragen die Wolkenkratzer in den Himmel, einer höher als der andere, dicht gedrängt stehen sie entlang der Rheinuferlinie nördlich der Konrad-Adenauer-Brücke. „Rheinhattan“ könnte der passende Name für diese Skyline sein. 1973 entstand dieses Modell für die – nie umgesetzte – Bebauung des Lichtenberger Ufers, der Kostenvoranschlag belief sich auf 600 Millionen Mark. Doch auch an anderer Stelle hatte Ludwigshafen in den 1970er-Jahren hochfliegende Pläne. Am bekanntesten ist vermutlich die Bebauung des freigewordenen Bahnhofgeländes. Doch an Stelle des Rathaus-Centers mit seinem 72 Meter hohen Turm sollten eigentlich gleich drei Türme gebaut werden. Wie überdimensionale Segel sahen die dreieckigen Hochhäuser aus, die das „City-Center“ beherbergen sollten. „Die Weichen für das Ludwigshafen von morgen sind gestellt“, hieß es im Februar 1972 in der „Neuen Lu“. Mit der Unterzeichnung des Vertrags mit der City-Bau KG sei der erste Schritt für die Neugestaltung der Innenstadt getan. Die drei unterschiedlich großen Türme – der höchste sollte 135 Meter in den Himmel ragen – galten als das größte städtebauliche Projekt der Bundesrepublik. Auf dem Gebiet des Bahnhofs sollten für rund 400 Millionen Mark 40.000 Quadratmeter Gewerbefläche, 1000 Wohneinheiten und 2500 bis 3000 Parkplätze entstehen. Baubeginn sollte 1974 sein. Vollmundige Sprüche hatten die Marketing-Experten auch damals schon auf Lager – so verkündeten sie im April 1974, die drei Türme sollten „Urbanität möglich machen und sie stimulieren“. Doch da war die Zukunft des City-Centers bereits ungewiss. Der Wohnungsmarkt war eingebrochen. Es wurde klar, dass so viele Wohnungen nicht an den Mann gebracht werden könnten. Man versuchte, die Türme als Büroflächen zu vermarkten. Doch auch die Industrie winkte ab. Hinzu kam eine neue Landesbauordnung, die größere Abstände zwischen Hochhäusern vorschrieb. Da das Projekt schon zu weit gediehen war, suchte die Verwaltung händeringend nach Lösungen – und kam auf die Idee, hier ein zentrales Rathaus zu errichten. Diese Idee wurde schon länger diskutiert, denn die städtischen Behörden waren damals auf zehn Dienststellen verteilt. Doch es waren auch noch andere Standorte für ein Zentralrathaus im Lostopf: unter anderem am Danziger Platz. Mit Hochdruck wurde hinter den Kulissen verhandelt, entworfen und wieder verworfen, bis die RHEINPFALZ am 28. März 1975 den „Schleier des Geheimnisses“ lüftete: Die Leverkusener Baubetreuungsgesellschaft City-Bau KG hatte das Projekt auf dem ehemaligen Bahnhofsgebäude umgearbeitet und verkleinert. Aus den drei Türmen war einer geworden, der nun das Rathaus aufnehmen sollte. Von fünf Basisgeschossen waren nur noch drei übrig. Doch warum diese Zurückhaltung bei der Nutzung des Filetstücks? Baudezernent Gerhard Schoenmakers fand dafür in der Broschüre zur Eröffnung des Rathaus-Centers im Mai 1979 blumige Worte: „Dieser Standort ist so konkurrenzlos günstig, dass die Stadt zunächst bescheiden beiseite trat und nachdem die Wohnturmidee mangels Nachfrage gescheitert war, den einen, noch verbleibenden Turm der Industrie als Bürohaus anbot. Erst als sich nach anfänglichem Interesse auch an dieser Front nichts Konkretes ergab und damit klar wurde, dass das Gesamtprojekt in Frage gestellt war, entschloss sich die Stadt, vom Primat des besten Platzes Gebrauch zu machen und stieg ein.“ Vermutlich ist aber die Einschätzung von Martin Damus in seinem 1988 erschienenen Buch „Das Rathaus. Architektur und Sozialgeschichte von der Gründerzeit zur Postmoderne“ treffender, der die Entstehung des Rathaus-Centers nicht auf die „vorausschauende Planung weiser Stadtväter“ zurückführt, sondern diese „als die Ultima Ratio einer ratlosen Stadtverwaltung“ sieht.

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