Ludwigshafen „Das ist schon fast Tanz am Fels“

Ludwigshafen. Heino Blankertz ist Klettertrainer in der Sektion Ludwigshafen des Deutschen Alpenvereins (DAV). Im Interview spricht der 59-Jährige über harte Kerle und tanzende Mädchen, Kniebundhosen und rotkarierte Hemden sowie über den Adrenalinkick an Felswänden und Bushaltestellen.

Herr Blankertz, wie kommt man im Flachland zum DAV?

Während des Studiums in Aachen bin ich oft mit Bekannten Wandern gegangen. Die Touren wurden von mal zu mal anstrengender und schwieriger. Irgendwann haben wir dann gedacht, eine formale Ausbildung im Alpenverein ist vielleicht kein Fehler. Waren die Berge vor rund 40 Jahren, auch schon so überlaufen wie heute? Anfangs haben wir uns schon gewundert, wie viele Leute mit Toni Hiebelers Buch „Die schönsten Wanderungen der Alpen“ rumlaufen. Wir dachten, wir sind alleine unterwegs, aber alle anderen hatten denselben blauen Wanderführer unter dem Arm. Um denen aus dem Weg zu gehen, haben wir dann herausfordernde, schwierigere Dinge gemacht. Mittlerweile scheint Wandern und Klettern ein Massenphänomen zu sein. Die Mitgliederzahl des DAV wächst seit Jahren, hat im Vorjahr erstmals die Millionen-Marke überschritten. Spüren Sie diese Entwicklung auch in Ludwigshafen? Die spüren wir auch, wenn auch auf etwas niedrigerem Niveau. Wir sind auf über 1900 Mitglieder in der Sektion gewachsen. Wir haben die Hoffnung, es dieses oder nächstes Jahr über die 2000er-Marke zu schaffen. Warum ist der Alpenverein angesagt? Wandern hat viel von dem Image Kniebundhose und rotkarierte Hemden verloren. Man sieht auch viele junge Leute die merken, dass man in der Gruppe viel Spaß haben kann – egal ob beim Klettern, Wandern oder Mountainbiking.Ist Klettern der Hauptgrund des Aufschwungs? Klettern hat einen großen Anteil daran. Aber auch die Ausdehnung auf andere Sportarten wie Mountainbiking. Das breite Portfolio macht es aus. Es gibt sogar botanische Wanderungen für Leute, die das interessiert. Die Zahlen zeigen auch, dass der DAV jünger und weiblicher wird. Wie erklären Sie sich diese Entwicklung? Beim Klettern kann man an seine Grenzen gehen, ohne Todesrisiko einen gewissen Adrenalinkick haben. Das ist mehr als der Kick, den manche Jugendliche suchen, die nachts ein paar Bushäuschen zerdeppern und schauen, ob sie schneller als die Polizei sind. Und die Frauen? Als ich anfing, brauchte man noch zwei männliche Bürgen, wenn man in den DAV eintreten wollte. Frauen zählten nicht als Bürgen, die waren nur B-Mitglieder. Klettern galt als Sportart für harte Kerle. Man war nur ein echter Kletterer, wenn man unter Einsatz seines Lebens geklettert ist. Die Sicherungsmethoden gaben damals noch nicht so viel her, die harten Kerle sind trotzdem überall hoch und dann irgendwann mal abgestürzt. Worum geht es heute? Heute geht es mehr um die Athletik, das kommt den Mädels entgegen. Sie müssen sich nicht in brutalen Touren gegen männliche Muskelprotze beweisen. Es geht mehr um die Eleganz, das ist schon fast Tanz am Fels. Mädchen klettern viel kraftschonender als Jungs, weil sie meistens leichter sind, weil sie ein besseres Körpergefühl haben. Das ist auch in den Lehrbüchern angekommen. Deshalb finden sich die Mädchen da viel mehr wieder. Ist es nicht trotzdem schwierig, in Ludwigshafen, weit weg von den Alpen, Leute für Bergsport zu begeistern? Widerspruch. Wir sind nicht weit weg, wir sind schneller am Fels als die Münchener. Der Oberrheingraben bietet links und rechts viele Klettergebiete. Das Sahnekipferl ist es dann, über ein verlängertes Wochenende weit wegzufahren. Viele Vereine kämpfen mit Mitgliederverlusten. Was macht der DAV besser? Wir machen Dinge für die ganze Familie, das differenziert uns von Fußball- oder Tennisvereinen. Wir haben mehr als eine Zielgruppe im Auge.

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