Ludwigshafen Darm und Dichtung

„Was wolltest du mit dem Dolche, sprich!“ Bernhard Wadle-Rohe schlich sich durchs Publikum, mit dabei das Beste aus Schillers Balladen und ein Fleischermesser. Letzteres hatte seinen Grund, denn Ort der Handlung war die Wurstküche von Metzgermeister Gerd Ott in der Bahnhofstraße in Ludwigshafen. Hier sollten Wurst und Poesie bei einer Lesung zusammenfinden.

Die Idee kam offenbar gut an. „Seit der Ankündigung haben jeden Tag Leute angerufen, die dabei sein wollten“, informierte Wadle-Rohe bei der Begrüßung der 50 Zuhörer in der Metzgerei. Veranstaltungen an ungewöhnlichen Orten will er deshalb auch im nächsten Kultursommer anbieten. Das Publikum war jedenfalls sehr gespannt, denn niemand wusste, was passieren würde. „Sie sind mutig, wir hätten ja auch eine Performance mit viel Blut und einer nackten Frau veranstalten können“, lobte Wadle-Rohe daher die Besucher. Gemetzelt wurden aber keine Tiere, auch nichts mit Blut besudelt und niemand durch den Fleischwolf gedreht. Außer vielleicht Friedrich Schiller. Die Balladen des Dichterfürsten interpretierte Wadle-Rohe auf seine ganz eigene Art. In einer Zinkwanne sitzend, deklamierte er den „Taucher“. „Wer wagt es...“, donnerte er, und ein Schelm, wer nicht an Heinz Erhards Fortsetzung dachte: „Knattersmann oder Ripp zu schlauchen in diesen Tund.“ Aber Wadle-Rohe wagte das Original. Es unterstützte ihn als Souffleuse Daniela Cohrs, die anfangs noch nicht mit dem dramatischen Stil, insbesondere den noch dramatischeren Pausen des Künstlers vertraut war. Zur „Bürgschaft“, die mit dem Dolche, schlich Wadle-Rohe als Metzger verkleidet, mit dem Messer in der Hand zum Räucherschrank. Aus seinem Mund kommt das dramatische Werk, in den Mund der Gäste kommen Wurststückchen, die der Rezitator mit dem Messer gerade zerteilt hat. „Und Stunde um Stunde ... um Stunde ... und Stunde – ich hänge!“ rief der Redner in höchster Not, als ihn der Text verließ. Seiner Souffleuse war das nicht Wurst, sie war nur grad mit dem Verteilen der selben befasst. Besonderer Gast war der Mundharmonikaspieler Alois Germann, der mit ausgesuchter Finesse Stücke zwischen Gedichten spielte. Nach der „Bürgschaft“ erklang „Ein Freund, ein guter Freund“, kräftig mitgesungen vom Publikum. Vor der Liveshow wurde ein kleiner Film gezeigt, den Raissa Imenitowa, Alexander Borodynia und Tatiana Grachev über die Metzgerei Ott gedreht haben. Man erfuhr dabei, wie Wurstteig in Därme gefüllt wird, und dass der Metzgermeister für eine Flasche guten Rotwein und eine Tafel Nuss-Nougat-Schokolade auch ausgefallenen Kundenwünschen nicht verschlossen ist.

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