Ludwigshafen Besser spät als nie

„Mächtig am Abrocken“ ist die Seniorenband Spätsünder in ihrem Proberaum: Klaus Eberle, Volker Grün, Lothar Krumbiegel, Manfred
»Mächtig am Abrocken« ist die Seniorenband Spätsünder in ihrem Proberaum: Klaus Eberle, Volker Grün, Lothar Krumbiegel, Manfred Klinghammer, Reinhard Winstel und Bernhard Linkenbach (von links) treffen sich einmal pro Woche.

„Baby, come back“, fordert Manfred Klinghammer, streift seinen Schal über den Kopf, wirft ihn zur Seite und greift zum Mikrofon. Leise gibt Reinhard Winstel mit den Schlagzeugstöcken den Takt vor. Dann wird es im Keller unter dem Seniorenwohnhaus Franz Siegel in Mundenheim richtig laut. Um die Akustik zu verbessern, sind der Boden und die Wände mit Teppichen und Tüchern abgedeckt. Ein großes Tuch zeigt Bob Marley, ein Poster Eric Clapton. Im Raum stehen Verstärker, Mikrofone und Notenständer, ein E-Piano und ein Schlagzeug. Dazwischen: die Spätsünder. Klinghammer hat ein Mikrofon vor sich, daneben steht Lothar Krumbiegel, den E-Bass über die Schulter gehängt. Winstel sitzt hinter dem Schlagzeug, das E-Piano spielt Klaus Eberle. Die Gitarristen Volker Grün und Bernhard Linkenbach sitzen auf hohen Hockern, ein Bein angewinkelt, das andere lässig ausgetreckt. Beim Üben bildet die Band einen Kreis, so können sich alle sehen. Fürs RHEINPFALZ-Foto ändern sie kurz die Formation. Jeden Donnerstag um 16.30 Uhr treffen sie sich in ihrem Proberaum. Los geht’s dieses Mal mit „Baby, come back“ von The Equals. Das ist einer der Lieblingssongs der zurzeit sechsköpfigen Gruppe. Vor zwei Jahren hat sich die Band gegründet, um Musik aus den Sechzigern zu spielen. Die Idee hatte Linkenbach – der „Chef“, wie ihn die anderen Bandmitglieder nennen. „Ziel war es, bühnenreif zu sein“, sagt er über die Gründung. Damals trug die Band noch den Namen Spätzünder. Eine „Notlösung“, so Gitarrist Grün. Den Namen haben sie immer vernachlässigt, mit dem jetzigen sei man immer noch nicht ganz zufrieden. Dafür läuft es aber musikalisch. Die Band hatte schon mehrere Auftritte, sie spielte beim Nachbarschaftsfest in Rheingönheim, stand beim Sommerfest des Seniorenzentrums Lu Kompakt auf der Bühne und soll auch bei dessen Jubiläum auftreten. Die Nachfrage steige ständig, so Linkenbach. Zur Vorbereitung dieser Auftritte gehöre nicht nur Übung, sondern auch Ehrgeiz. „Wenn ich auftrete, dann muss es knacken, dann muss es gut sein“, sagt er. Die Motivation ist auch auf gelbe Zettel im Proberaum gedruckt: „Wiederholung ist die Mutter aller Studien“ und „Übung macht den Meister“, kann man dort lesen. Eine Probe in der Woche ist dafür nicht genug, jeder bereitet seine Stimme alleine vor. Bei der Probe werden alle Teile zusammengesetzt. Fast 100 Lieder hat die Band so schon einstudiert, 50 davon können sie direkt spielen. Die meisten Lieder sind von den Rolling Stones und Creedence Clearwater Revival, aber auch die Beatles oder Eric Clapton dürfen nicht fehlen. „Leute lieben diese Musik und gehen auch immer ab“, sagt Linkenbach über die bisherigen Auftritte. Krumbiegel formuliert es anders: Die Leute seien „mächtig am Abrocken“ gewesen. Das Rocken ist den Spätsündern am liebsten. Um das Publikum zufriedenzustellen, haben sie aber auch ruhigere Songs im Repertoire. „Wir wollen keine seichte Musik, aber manchmal ist sie gefragt“, sagt Linkenbach. Um noch mehr Lieder spielen zu können, braucht die Band allerdings Verstärkung, am besten eine Sängerin. Eine „Rockröhre“ sollte es sein, scherzt Gitarrist Grün, Rocklieder müsste sie lieben und Englisch sprechen können. Zwischenzeitlich hatte die Band sogar zwei Sängerinnen, Claudia Schiffer und Brigitte Defieber, die die Spätsünder jedoch aus Zeitgründen wieder verließen. Es kostet Zeit, eine Rockgruppe zu sein, aber auch Geld. Instrumente, Verstärker und Mikrofone müssen die Bandmitglieder selbst bezahlen. Die Spätsünder spielen zwar ältere Musik, in Sachen Ausstattung sind sie jedoch auf dem neuesten Stand. Beide Gitarristen lesen die Noten nicht vom Papier ab, sondern von einem Tablet. Krumbiegel hat ebenfalls ein Tablet vor sich, das als Mischpult dient. Der Bildschirm ist voller Schalter, Regler und Knöpfe, mit denen der Zusammenklang der Instrumente verfeinert wird. Die Spätsünder wollen immer besser werden. Sie wissen aber auch, dass sie nicht alles spielen können. Manche Lieder seien schlichtweg zu schwer, „man muss zufrieden sein“, sagt Klinghammer. „Wir spielen nach unserem Können, und das machen wir richtig gut“, fügt Schlagzeuger Winstel hinzu. Deshalb wird auch gleich weitergeübt. Zwischen den Liedern stimmen die Musiker ihre Instrumente, ein Durcheinander von Tönen füllt den Raum. Dann wird es kurz still, Klinghammer greift wieder zum Mikrofon und wartet auf das Anzählen mit den Schlagzeugstöcken. Jetzt gibt Winstel den Takt eines Songs von Steppenwolf vor: „Born to be wild“. Ob die Spätsünder zum „wild sein“ geboren wurden, bleibt offen, jedenfalls fühlen sie sich jetzt dazu berufen. Noch Fragen? Kontakt für Interessierte: blinkenbach@gmail.com.

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