Ludwigshafen 50 Jahre Reiten auf Rezept

Prominenter Gast: Im Jahr 1994 überreichte Hannelore Kohl eine Spende ihrer Stiftung über 17.400 Mark. Mit dem Geld wurde das Th
Prominenter Gast: Im Jahr 1994 überreichte Hannelore Kohl eine Spende ihrer Stiftung über 17.400 Mark. Mit dem Geld wurde das Therapiepferd »Baida« angeschafft.

«Oggersheim.» Gemeinsam mit Pfarrer Ernst Fritze hat Dorothee Wanzek-Blaul vor 50 Jahren den Reiterhof Kinderhilfe in Oggersheim gegründet. Der ehemalige Bauernhof am Rande des Gewerbegebiets ist heute eine der ältesten Einrichtungen für therapeutisches Reiten in Rheinland-Pfalz. Das Vereinsjubiläum soll im Sommer gefeiert werden.

Mit der Idee des therapeutischen Reitens hatte Pfarrer Ernst Fritze die Familie Wanzek-Blaul in einer Presbyteriumssitzung im Jahr 1969 konfrontiert. Der Ansatz war damals aus England nach Deutschland herübergeschwappt. Ein Jahr später fiel der Startschuss für das Projekt. Mit sechs Patienten und ihren eigenen Pferden „Fritzi“ und „Pascha“ legte Dorothee Wanzek-Blaul los. Eine betreuende Krankengymnastin für die Hippotherapie kam aus der BG Klinik. Die Bewegung des Pferdes sollte den Menschen mit Behinderungen ein Gefühl des Gehens geben. Fünf Jahre nach der Gründung bekam der Verein finanzielle Unterstützung von der Stadt Ludwigshafen. Das Sozialamt schenkte der Kinderhilfe den Norwegerwallach „Moritz“. Damals begann auf dem Hof auch das sportliche Reiten für Menschen mit Behinderung. Immer mehr Patienten machten es notwendig, weitere Pferde anzuschaffen. Wenig später kam als dritte Säule des Vereins das Heilpädagogische Voltigieren dazu. 1978 wurde dann die Reithalle fertiggestellt. Da war die Tochter von Dorothee Wanzek-Blaul, Christine, schon sechs Jahre alt. Auch sie ist auf dem Reiterhof groß geworden. Im Jahr 2010 hat die Pädagogin die Leitung des Betriebs von der Mutter übernommen. In den folgenden Jahren wurde der Pferdebestand erweitert. Ende der 1970er-Jahre wurde der Reiterhof in den Sportbund aufgenommen. 1981 richtete der Verein den ersten bundesweiten Reitertag für Menschen mit Behinderungen aus, dem im zweijährigen Rhythmus weitere folgten. Mitte der 1990er-Jahre erhielt die Einrichtung vom Deutschen Kuratorium für therapeutisches Reiten in Warendorf die Kennzeichnung als anerkannte Therapieeinrichtung für alle drei Bereiche des therapeutischen Reitens. Heute sind 17 Pferde auf dem Hof im Einsatz. Ebenso hat sich die Vielfalt an Pferderassen erweitert, um für jeden Patienten und jede Therapie das geeignete Pferd zu haben. Neben dem Pferdebestand hat sich auch die Anzahl der Mitarbeiter, Honorarkräfte und ehrenamtlichen Helfer erhöht, die jetzt wöchentlich rund 300 Kinder, Jugendliche und Erwachsene in der Hippotherapie, im Heilpädagogischen Reiten und Voltigieren sowie im sportlichen Reiten betreuen. Aus der Kinderhilfe sind nach Angaben der Vereinsvorsitzenden Wilhelma Metzler einige Institutionen entstanden: das Kinderzentrum, die Oggersheimer Mosaikschule und die Interessengemeinschaft Behinderter und ihrer Freunde. Die Entwicklung der Reittherapie sei anfangs mangels ausreichender Erfahrung in Deutschland eine echte Pionierarbeit gewesen. „In der Kinderhilfe wurde schon Inklusion gelebt, bevor sie überhaupt einen Namen hatte“, bilanziert Metzler zum 50. Jubiläum. Nach wie vor sei das inklusive Reiten und Voltigieren ein fester Schwerpunktpunkt im Verein. „Heute kommen nicht nur körperbehinderte Kinder, sondern auch erwachsene Multiple Sklerose- und Schlaganfallpatienten zur Hippotherapie. Das Heilpädagogische Reiten und Voltgieren spricht verhaltensauffällige Kinder und zunehmend auch Autisten an“, erklärt Metzler. Für das Jubiläumsjahr erstellt Werner Appel eine Festschrift. Im Juni will der Verein im Kinderzentrum eine Fachtagung veranstalten. Am 23. Juni steht ein besonderes Sommerfest mit einem Festgottesdienst mit Pferdesegnung auf dem Programm.

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